Beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ werden die Piloten der Luftwaffe auf dem Eurofighter ausgebildet. In Rostock – Laage erhalten die Flugschüler die Waffensystemausbildung auf einem der modernsten Kampfflugzeuge der Welt. In rund 285 Theorie und 45 Flugstunden lernen die jungen Piloten den Eurofighter zu beherrschen. Das äußerst anspruchsvolle Ausbildungsprogramm fordert die Flugschüler von der ersten bis zur letzten Mission. Auch in Zukunft wird diese Ausbildung in Deutschland stattfinden.
Wer als Flugschüler der Luftwaffe zum Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ (TaktLwG73 „S“) versetzt wird, hat bereits die größten Hürden auf dem langen Weg ins Eurofighter Cockpit genommen. Dieser beginnt im Kreiswehrersatzamt beim Wehrdienstberater, dem ein in drei Phasen gegliedertes Auswahlverfahren (Assessmentcenter für Führungskräfte, Eignungsfeststellung für den Fliegerischen Dienst, flugmedizinische Untersuchungen) durch die Luftwaffe folgt. Hat sich der Bewerber hier für den Fliegerischen Dienst bei der Luftwaffe qualifiziert, folgt nach der Grundausbildung die Ausbildung zum Offizier und die fliegerische Grundlagenausbildung, beides an der Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck. Danach führt der Weg in die USA, wo mit der reinen Flugausbildung der längste und schwierigste Teil ansteht. In dem 35-stündigen Initial Flying Training bei der 3. Deutschen Luftwaffenausbildungsstaffel in Goodyear, Arizona auf dem zweisitzigen Propellerflugzeug „Grob 120A“ steht u.a. der erste Alleinflug an. Anschließend geht es weiter nach Texas zum Euro Nato Joint Jet Pilot Training (ENJJPT) auf der Sheppard Air Force Base. Auf den Flugzeugmustern T-6 II und T-38C werden in 15 Monaten ca. 270 Flugstunden geflogen und die Grundlagen des Jet-, Instrumenten-, Formationsfliegens und des Luftkampfes gelehrt. Mit erfolgreich bestandenen Prüfungsflügen werden die lang ersehnten Flugzeugführerschwingen verliehen. Während die Tornado Crews weiter in den Staaten verweilen (Waffensystemausbildung Tornado beim Fliegerischen Ausbildungszentrum der Luftwaffe in Holloman) treten die Eurofighterpiloten die Rückreise nach Deutschland an. In der 2. Staffel des TaktLwG 73 folgt nun die Waffensystemausbildung auf dem Eurofighter.
B-Course
Präzise ausgedrückt durchläuft der frisch graduierte Pilot nun den sogenannten B-Course in Laage. Der auf 140 Arbeitstage (ca. 7-8 Monate) angesetzte B-Course startet erst einmal mit jeder Menge Theorie. Insgesamt ca. 285 Stunden werden im Ausbildungs- und Trainingszentrum, welches sich in unmittelbarer Nähe zum Simulatorgebäude (ASTA) und den Unterkünften befindet, gebüffelt. Nach der Theorie folgt die Praxis, jedoch zuerst im Simulator. Neben den Standardverfahren werden vor allem die Notverfahren trainiert, bis sie sicher beherrscht werden. Zur Verfügung stehen zwei Simulatoren. Der Full-Mission-Simulator bietet eine 360 Grad Sicht und den originalen Sitz des Eurofighter. Er kann mit dem Cockpit Trainer und der Instructor Operator Station vernetzt werden (Aircrew Synthetic Training Aid). Zivile Fluglehrer mit einem Background aus der Militärfliegerei begleiten die Ausbildung und geben ihren Erfahrungsschatz an die Flugschüler weiter.
Nach erfolgreichen Checkflügen im Simulator folgt der erste Flug im realen Eurofighter, ein besonderes Highlight und zugleich Start der Conversion Phase. Nach nur sechs Missionen mit dem Fluglehrer im Doppelsitzers, folgt der erste Soloflug. Ein ganz spezieller Moment in der Ausbildung. Der achte Flug ist bereits der Überprüfungsflug (Check Ride) für die Musterberechtigung und der nächste, der sogenannte „High Performance“-Flug, gilt als Überleitung zur sogenannten BFM-Phase (Basic Fighter Maneuvers), in denen grundlegende Luftkampf-Manöver geflogen werden. Ab jetzt sitzt im ersten Flug jeder Phase der Schüler in einem Eurofighter-Doppelsitzer mit einem Fluglehrer hinter sich. Ab der zweiten Mission fliegt er allein – mit dem Fluglehrer in einem anderen Jet in Formation. Um die 20 Fluglehrer sind beim TaktLwG 73 stationiert. „Der größte Unterschied gegenüber den anderen Jettrainer wie T-38 nach dem Umstieg auf den Typhoon ist die Geschwindigkeit. Im Eurofighter läuft alles viel schneller ab. Ich habe weniger Zeit um noch mehr Entscheidungen fällen zu müssen. Das reine Fliegen des Jets ist sehr einfach, aber das System in jeder Situation zu managen erfordert einiges an Erfahrung und Übung.“ erklärt ein Flugschüler. Dazu kommt der physische Aspekt. „Eurofighter fliegen ist extrem anstrengend, nur wer 100% fit ist kann gute Leistungen bringen“.
Je weiter der Kurs voran streitet, desto größer wird die Komplexität der Missionen und damit auch die Anforderungen an die Piloten. Die nächsten Abschnitte beinhalten taktische Luftkämpfe auf große Entfernungen (1 v 1; 2 v 1; 2 v 2; 4 v 2) in der Intercept Phase. Egal ob bei Tag oder bei Nacht, sie erlernen bei den Übungsflügen Einsatztaktiken, um sich gegen mehrere potentielle Gegner zur Wehr zu setzen. Jede Mission wird in allen Phasen vor dem realen Flug im Simulator geflogen. Dass aufgrund der Komplexität auch mal ein Lernziel nicht erreicht wird, gehört zum Lerneffekt dazu. Aber was einmal erfolgreich abgehakt ist, wird ab dem nächsten Flug vorausgesetzt. Zu den weiteren Ausbildungsabschnitten zählen der Nachtflug, die Luftbetankung und der Einsatz auf der Alarmrotte. Bei einer Mission wird auch der scharfe Schuss mit den Boardkanone auf ein geschlepptes Luftziel (Zieldarstellung Dart mit A-4) geübt. Derzeit bezieht sich die Ausbildung nur auf die reine Luftkampf/Jäger (A/A) Rolle. Sie wird aber, sobald der Eurofighter auch in der Luftwaffe die A/G Rolle übernimmt, um diese Fähigkeit erweitert.
In der finalen Phase des B-Kurses stehen vier Flüge zur Anwendung der erlernten Luftkampftaktiken auf dem Plan (Air Combat Tactics), bei denen der Bedrohungsgrad durch gegnerische Jets sukzessive nach oben geschraubt wird. Diese vier Flüge fordern den Schülern noch einmal alles gelernte ab bevor die neuen Eurofighter Piloten in ihre zukünftigen Heimatverbänden entlassen werden.
TaktLwG 73 „Steinhoff“ / Rostock – Laage
Als erster Luftwaffenverband wurde der Verband im April 2004, noch unter dem Namen Jagdgeschwader 73 (JG73), mit dem Eurofighter ausgerüstet. Es fungierte fortan als Einführungseinheit für den neuen Mehrrollenjet innerhalb der Luftwaffe und hier wurden die Grundlagen für den Flugbetrieb mit dem modernsten Waffensystem der Luftwaffe geschaffen.
Nachdem es 1959 mit der Canadair CL-13B Sabre Mk 6 in Oldenburg aufgestellt wurde verlegte die Einheit 1961 nach Pferdsfeld/Sobernheim um dort die Fiat G-91 & F-4F zu fliegen. Mehrmals umbenannt, ging das JG73 1997 aus der Zusammenlegung des Jagdbombergeschwader 35 aus Pferdsfeld und dem Erprobungsgeschwader MiG-29, dem Nachfolger des Jagdfliegergeschwader 3 „Wladimir Komarow“ der NVA in Preschen (Brandenburg), hervor. Im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr wurde zum 1. Oktober 2013 das JG 73 in TaktLwG 73 umbenannt. Stationiert ist das TaktLwG 73 in Laage, bei Rostock (Mecklenburg-Vorpommern). Der ehemalige Flugplatz der NVA wird heute auch Zivil mitgenutzt und Militär und Urlaubsflieger nutzen erfolgreich den Rostock Airport / Fliegerhorst Laage.
Hauptaufgabe des TaktLwG 73, ist die geschilderte Ausbildung aller Eurofighter-Piloten der Luftwaffe, des Österreichischen Bundesheeres sowie die Ausbildung der Flug- und Waffenlehrer. Neben der Pilotenausbildung übernimmt das Geschwader bei Bedarf die Sicherung des deutschen Luftraums. Das sogenannte „Air Policing“ beinhaltet die Befähigung zur Bereitstellung einer Alarmrotte, die in kürzester Zeit auf Anweisung eines NATO-Gefechtsstands eingesetzt werden kann.
Weiterhin gehört auch die Teilnahme an verschiedenen nationalen und internationalen Übungen und Erprobungen zu den Aufgaben des Verbandes. So stehen in 2015 auch wieder ein Kommando in Decimomannu auf Sardinien an. Ständig werden Soldatinnen und Soldaten, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des TaktLwG 73, auch im erweiterten Aufgabenspektrum der Bundeswehr bei den unterschiedlichsten Einsätzen der Bundeswehr weltweit eingesetzt.
Zukunft
Die Waffensystemausbildung Tornado erfolgt in den USA beim Fliegerischen Ausbildungszentrum der Luftwaffe in Holloman / New Mexico. Das war zunächst auch für die Ausbildung der Eurofighter Besatzungen geplant und 24 Jets sollten in die USA gehen. Für das TaktLwG73 war die Verwendung als normaler Einsatzverband vorgesehen. Die für den Eurofighter erforderlichen Ausbildungsinhalte können bei einer Stationierung in Deutschland allerdings auch in ähnlich hoher Qualität vermittelt werden. Nun wurde, dem Vorschlag der Luftwaffe folgend, entschieden die 24 Eurofighter in Deutschland zu belassen. Diese werden nach Maßgabe der Luftwaffe auf die vier Eurofighter -Geschwader verteilt. Mit der Stationierungsentscheidung 2011 wurde die Stationierung von drei Taktischen Luftwaffengeschwadern mit dem Waffensystem Eurofighter an den Standorten Laage, Neuburg a.D. und Nörvenich entschieden. Die Taktische Luftwaffengruppe „Richthofen“ in Wittmund ist Teil des Taktischen Luftwaffengeschwaders 31 „Boelcke“ in Nörvenich und wird nun wieder zu einem vollwertigen Geschwader.
Die künftige Durchführung der lehrgangsgebundenen fliegerischen Ausbildung für das Waffensystem Eurofighter in Deutschland wird durch die Luftwaffe unter Einbeziehung des Standortes Wittmund zu gegebener Zeit geprüft. Die Konzentration der Eurofighter -Flotte in Deutschland führt zu einer Bündelung und effizienteren Nutzung der vorhandenen Ressourcen. Der mögliche Rückgriff auf alle Luftfahrzeuge des Verfügungsbestands stärkt die Durchhaltefähigkeit und Flexibilität des Flottenmanagements. Bis auf weiteres erfolgt die Eurofighter Ausbildung jedoch beim TaktLwG73 in Laage. ■
Ein ganz herzlicher Dank an die entsprechenden Beteiligten des TaktLwG 73 „S“, Oberstabsfeldwebel Heinz-Dieter Nitz sowie der Presse – und Öffentlichkeitsarbeit / PIZ Luftwaffe.
Text: © Mathias Grägel / TaktLwG 73 – Luftwaffe
Bilder: © Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR Januar 2015