Der Fliegerhorst “Corrado Baccarini“ im toskanischen Grosseto ist die Heimat des bedeutendsten und erfahrensten italienischen Eurofighter Geschwaders. Zuständig für die Luftraumüberwachung Nord- und Zentralitaliens sowie der Ausbildung aller nationalen Eurofighterpiloten, ist das traditionsreiche Geschwader das Kompetenzzentrum für den Eurofighter in Italien.
”Die Flugleistungen sind phänomenal. Es ist das Flugzeug von dem wir immer geträumt haben und das perfekte Waffensystem für unsere Aufgaben.” Bei der Frage nach der Leistungsfähigkeit und seinen Erfahrungen mit dem Eurofighter gerät Oberst Luca Spuntoni ins Schwärmen. Der Kommodore der 4° Stormo hat das Geschwader seit Juni 2012 unter seiner Führungen und flog bereits mehr als 3.000 Stunden auf fast allen Kampfflugzeugen der italienischen Luftwaffe (Aeronautica Militare Italiana, AMI). „Es ist das Beste und leistungsfähigste Jagdflugzeug das ich je geflogen bin, aber überzeuge dich doch selbst“. Ein paar Minuten später sitze ich im Eurofighter Simulator. Der simulierte Flug demonstriert die Flugleistungen des Jets. Nach nur wenigen hundert Metern hebt der Eurofighter mit gesetzten Nachbrennern von der virtuellen Startbahn ab, um dann senkrecht nach oben zu steigen. Der Start mit maximaler Performance lässt keine Zweifel an Oberst Spuntoni´s Worten offen. Wie ein Fahrstuhl steigt der 18 Tonnen schwere Jet nach oben in den tiefblau simulierten Himmel. Auf 30.000ft nehmen wir die beiden Triebwerke in den Leerlauf und lassen den Jet nach unten fallen. Im Sinkflug, ohne eigenen Triebwerksschub, erreicht der Eurofighter dank geringstem Luftwiderstand nun wieder Überschall. Auch in diesen Geschwindigkeitsbereichen ist er noch in der Lage Kunstflug- oder entsprechende Luftkampfmanöver zu fliegen. Die Wendigkeit ist überragend. Beeindruckend sind nicht nur die Flugleistungen sondern auch die Systeme zur Unterstützung des Piloten. Das Eurofighter Fliegen ist extrem anstrengend, physisch aber vor allem mental. Der Pilot muss in kurzer Zeit eine hohe Masse an Informationen verarbeiten, meist unter starker körperlicher Belastung. Das System nimmt dem Piloten vor allem im fliegerischen Bereich viel Arbeit ab. Der Pilot kann sich komplett auf die Durchführung seiner Mission konzentrieren. „Im Starfighter war das Verhältnis des Arbeitsaufkommens 65% Fliegen – 35% Missionsmanagement, im Eurofighter haben wir 20% – 80% zugunsten der Missionsdurchführung erreicht“, erklärt der Kommodore.
Benannt nach seinem ehemaligen Kommandeur, Amadeus von Savoyen, Herzog von Aosta, ist die 4° Stormo in der Toskana auf dem Militärflugplatz “Corrado Baccarini“ in Grosseto stationiert. Integriert in das Luftverteidigungssystem Italiens und der NATO gehören die Sicherung des Luftraumes von Nord- und Zentralitaliens, insbesondere über der Hauptstadt Rom, sowie die operationelle Ausbildung und Schulung aller italienischer Eurofighter – Piloten zu den Aufgaben des Geschwaders. Es wurde 2004 als erstes innerhalb der AMI mit dem neuen Jagdflugzeug ausgerüstet, welches die veraltete F-104ASA Starfighter ablöste. Die ersten scharfen Einsätze flog man im Rahmen der Operation Unified Protector 2011 zur Luftraumsicherung über Libyen. Am 04. Juni 2013 erreichte das Geschwader einen beachtlichen Meilenstein als die 25.000 Flugstunde mit dem Eurofighter geflogen wurde. Neben Einheiten für technische und logistische Unterstützung und der Verwaltung besteht der Verband hauptsächlich aus den beiden fliegenden Gruppen (Gruppo) in Staffelstärke. Die 20° Gruppo OCU (Operational Conversion Unit) ist für die Pilotenschulung zuständig. Die 9° Gruppo „Francesco Baracca“ CIO (Caccia Intercettori Ognitempo = Jagdstaffel) übernimmt die operationellen Aufgaben wie die Bereitstellung der 24h/365Tage – Alarmrotte. Die Staffel trägt wie das Geschwader noch heute mit Stolz das „Cavallino rampante“ im Wappen, welches im ersten Weltkrieg das Flugzeug des Fliegerass Barons Francesco Baracca zierte. Weltweite Bekanntheit erreichte es als Markenzeichen und Logo der Sportwagen von Ferrari. Enzo Ferrari erhielt jenes Wappen von Baraccas Mutter nach dem Sieg eines Autorennens 1923. Die Contessa Baracca hatte den jungen Ferrari daraufhin eingeladen und ihm das Abzeichen als Glücksbringer überreicht.
Ein großes “Millie Grazie” an alle beteiligten Personen für die großartige Unterstützung bei der Vorbereitung, Organisation und Durchführung zur Realisierung dieses Artikel, namentlich die Deutsche Botschaft in Rom, Aeronautica Militare Italiana Public Affairs Rom, Kommodore 4° Stormo Colonnello Luca Spuntoni, PR Officers 4° Stormo Capt. Corbi, Gerunda und das gesamte Personal in Grosseto.
Text: © Mathias Grägel
Fotografie: © Mathias Grägel / GME-AirFoto Mai 2013