Das NATO Tiger Meet kehrte 2023 erstmalig seit den 80´er Jahren wieder nach Italien zurück. In Gioia del Colle kamen ca. 80 Kampfjets und Helikopter aus über zehn Ländern zusammen, um über Apulien moderne Luftkriegsführung zu trainieren. Die Luftwaffe nahm mit einem großen Kontingent und ihren beiden Tiger Staffeln teil. Die Bavarian Tigers aus Neuburg waren die großen Gewinner in Süditalien. Nicht nur ihr Tiger Eurofighter wurde ausgezeichnet.
Die A.M.I. (Aeronautica Militare Italiana) feierte in 2023 ihr 100-jähriges Bestehen. Das ganze Jahr über wurde dieses Jubiläum mit etlichen Events im ganzen Land zelebriert. Mit gleich zwei Einheiten in der NATO Tiger Association bemühte man sich im Jubiläumsjahr auch um die Ausrichtung des jährlichen NATO Tiger Meets. Zum ersten Mal seit 1988 kehre die gemeinsame militärische Übung von Luftwaffen-Verbänden aus NATO-Mitgliedsstaaten und befreundeten Ländern nach Italien zurück. Die 12° Gruppo lud die Tiger Community vom 02. bis 13. Oktober 2023 auf ihre Heimatbasis nach Gioia Del Colle in Süditalien ein. Die 36° Stormo ist die Heimat von zwei Eurofighter – Staffeln. Die Abwicklung der umfassenden Organisation wird durch die jeweilige, gastgebende Tigerstaffel durchgeführt. Zu den größten Herausforderungen bei der Ausrichtung einer Übung dieser Größe zählt dabei die Logistik. Rund 1100 Soldaten waren für zwei Wochen zu Gast, mussten untergebracht und verpflegt werden. Dazu kamen Container mit Material, zu stellende IT – Infrastruktur, Wartungsmöglichkeiten und nicht zuletzt Stellplätze für die Flugzeuge. Aus über 10 Nationen reisten die Teilnehmer an und es waren inklusive der Gastgeber ca. 80 Kampfflugzeuge, Aufklärer und Hubschrauber beteiligt. Die Luftwaffe beteiligte sich mit ihren beiden Tiger Einheiten. Das TaktLwG 74 aus Neuburg sowie das TaktLwG 51 aus Schleswig – Jagel verlegten je sechs Eurofighter bzw. Tornados nach Apulien.
– NTM 2023 Teilnehmer –
Das typische Programm des NTM beginnt mit der Ankunft der Teilnehmer, Briefings und einer Eröffnungszeremonie, bei der die Flaggen aller teilnehmenden Nationen gehisst werden. Am Wochenende finden die Tiger Games statt, ein Event mit einer Mischung aus Sport und Unterhaltung. Dazu gab es einen Spotterday sowie einen Open Day für die breite Öffentlichkeit. Während der zwei Übungswochen steht jedoch intensiver Flugbetrieb an erster Stelle. In einem simulierten Einsatzszenario werden diverse Typen von Luftfahrzeugen mit unterschiedlichen Aufgaben zusammen eingesetzt. Dazu gehören Jagdbomber, Jagdflugzeuge, Aufklärer ebenso wie Hubschrauber für bewaffnete Luftrettung und Frühwarnflugzeuge. Die Missionen orientierten sich dabei an solchen, wie sie im echten Einsatz vorkommen können. Hauptsächlich Luftoperationen im Verbund, bei denen Ziele am Boden angreifen oder abgeschossene Besatzungen aus dem Feindesland zurückgeholt werden.
Insgesamt wurden in den beiden Übungswochen von den Teilnehmern bei ca. 800 Flügen über 1200 Stunden erflogen. Für die komplexe Composite Air Operations (COMAO) Mission am Vormittag sowie die „Shadow Wave“ am Nachmittag boten die Gegebenheiten vor Ort ideale Bedingungen. Die großen Übungsgebiete befanden sich überwiegend über dem Mittelmeer im Osten Sardiniens und über dem Golf von Tarent. Bestes italienisches Spätsommerwetter tat sein übriges bei. Temperaturen um die 25° und (fast) keine Wolke für zwei Wochen waren aber auch für die Region und Jahreszeit eine Ausnahme. Die wenigen Minuten der Freizeit am Wochenende konnten die vielen Soldaten nutzen um Süditalien näher zu entdecken. Malerische Strände oder das UNESCO-Welterbe, die historische Felsenstadt Matera, lagen nicht weit entfernt. Die ganze Region Gioia del Colle / Apulien ist Zentrum und Heimat der Primitivo Rebe. Die schweren Rotweine wurden bei dem ein oder anderen Weingut direkt vor Ort verkostet.
Zurück zum harten Übungsalltag. Das morgendliche COMAO Szenario bei dem sehr komplexe, verbundene Luftkriegsoperationen mit bis zu 60 Teilnehmern geübt wurden, wird durch den Mission Commander geplant. Im Fokus für das Training steht vor allem die Planung einer derart komplexen Mission mit großer Anzahl an Luftfahrtzeugen in verschiedenen Rollen in multinationalem Umfeld. Jede Mission setzt eine mehrstündige Planung am Vortag voraus, bei welcher der täglich wechselnde Mission Commander seine ihm zur Verfügung stehenden Kräfte optimal ausnutzen soll. Der große Vorteil ist hierbei, dass alle Teilnehmer vor und nach dem eigentlichen Flug am gleichen Ort versammelt sind, um die Briefings direkt zusammen auszuwerten und voneinander zu lernen. Die Darstellung feindlicher Kräfte, die sogenannte „Red Air“ Komponente, stellten die Teilnehmer abwechselnd selbst.
Bei der „Shadow Wave“ am Nachmittag mit bis zu 40-50 Starts steht das individuelle Training der einzelnen Staffeln im Vordergrund. Tiefflug, Abfang- oder Luftkampfmanöver in kleineren Rahmen (2 vs. 2 oder 4 vs. 4) nach individueller Absprache stehen auf dem Programm. Bei diesen DACT (Dissimilar Air Combat Training) Missionen flogen unterschiedliche Flugzeugtypen gegeneinander BFM Missions, z.B. die Neuburger Eurofighter gegen griechische F-16. Jede Staffel hatte, sofern beim jeweiligen Flugzeugtyp vorhanden, auch einen Doppelsitzer dabei, um so Piloten der anderen Nationen und Muster auch die Gelegenheit für gegenseitige Mitflüge im jeweils anderen Jet zu ermöglichen.
„Das Einzigartige des NTM ist es, im Rahmen einer Hochwertübung verbundene Luftkriegsoperationen mit bis zu 80 Luftfahrzeugen zu trainieren und zeitgleich mit den Piloten und Technikern der anderen Nationen und Staffeln über die Jahre eine starke, persönliche Bindung aufzubauen: den Tiger Spirit“, fasste der Kommodore des TaktLwG 74 Oberst Jürgen Schönhöfer seine Eindrücke zusammen. „Dieser gemeinsame Spirit erweist sich vor allem in Einsätzen und Übungen als überaus wertvoll. Gleichzeitig erleichtern die bei den regelmäßigen Treffen geknüpften, persönlichen Kontakte viele Koordinierungsprozesse“, so Schönhöfer, der seine rund 110 beteiligten Soldaten zum Open Day zur Halbzeit der 14-tägigen Übung auf dem Stützpunkt besuchte. Wie auf einem Kommando dieser Größe üblich war auch für die Neuburger maximale Flexibilität und Improvisationskunst gefragt. „Die Italiener gaben sich größte Mühe, gute Gastgeber zu sein. Und mit unserer italophilen, bayerischen Art kommen wir mit der südländischen Unverbindlichkeit (gerade, was zeitliche Vorgaben angeht) recht gut zurecht“, resümierten die Bavarian Tigers um ihren Kommandoführer Oberstleutnant „Bigfoot“. „Das NTM ist eine Übung der Superlative“, so der Eurofighter Pilot. In wechselnden Missionsprofilen, als Blue und Red Air, flog er selbst mehrere NTM-Missionen. Er lobte auch den hervorragenden technischen Klarstand der Eurofighter. Keine Mission viel der Technik zum Opfer.
Positiv war auch das Fazit der Immelmänner aus Schleswig: „Wir haben diesmal nicht unsere optische Aufklärungskomponente mitgebracht, sondern uns auf die SEAD-Rolle (Suppression of Enemy Air Defences) mit dem ECR konzentriert. Dabei erkennen, bekämpfen und neutralisieren wir feindliche Feuerleitradare, um den Luftraum in bestimmten Gebieten für eine gewisse Zeit von feindlicher Flugabwehr freizuhalten“, bemerkt Oberstleutnant Jens H., vom TaktLwG 51.
Der Gastgeber in Form von Oberst Vito Cracas vom Comando Forze da Combattimento in Mailand reihte sich nahtlos in das positive Feedback ein. Als Exercise Director war er für die sichere Durchführung der Übung verantwortlich. In Gioia del Colle verwurzelt erkannte er schon als Staffelkapitän der 12° Gruppo und später als Kommodore der 36° Stormo den Mehrwert dieser besonderen Übung. Ihm war wichtig, dass die Kontakte zwischen den „Weißen Tigern“ der 12° Gruppo und der Tiger-Community nie abbrachen. „Wenn immer möglich, habe ich Piloten der Staffel zu den NTMs geschickt, auch wenn wir nicht mit Jets an den NTMs teilnehmen konnte. Eine Zeit lang hatten wir aufgrund der Waffensystemumstellung von Tornado F3 auf Typhoon keine Jets zur Verfügung“, erklärt Caracas. Für ihn persönlich war es eine Rückkehr nach Gioia, bei der er auch eine Mission im Doppelsitzer begleiten konnte.
„Wir haben vor einem Jahr mit der Vorbereitung dieser komplexen Übung begonnen und jetzt haben wir hier über 1100 Menschen, siebzig Flugzeuge und rund zehn Hubschrauber von neunzehn Tiger-Staffeln aus vierzehn Ländern“, erklärte Major Emanule F., Projektoffizier des NTM23 und Staffelkapitän der 12° Gruppo sichtlich stolz am Medientag. „Als Gastgeber sind wir für die Erstellung des Szenarios verantwortlich. Da es sich um eine auf unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnittene Übung handelt, müssen wir die Bedürfnisse und Besonderheiten jedes Teilnehmers berücksichtigen. Dies versuchen wir so gut wie möglich umzusetzen.“
Selbst der Luftwaffenchef der A.M.I., Generale di Squadra Aerea Luca Goretti, stattet dem NTM einen Besuch ab. Er legte das Augenmerk schon auf die Zukunft: „Wir glauben, dass die Interoperabilität zwischen den Ressourcen der vierten und fünften Generation wichtig ist. Leider konnten wir die F-35 in dieser Ausgabe aufgrund operativer Anforderungen und verschiedener Trainingsverpflichtungen nicht einsetzen, wollen dies bei der nächsten Übung aber nachholen. Lassen Sie mich jedoch sagen, dass die Flugzeuge der 4. und 4,5. Generation, die momentan den Großteil der Streitkräfte der NATO und der Alliierten ausmachen, weiterhin wichtige Ressourcen bleiben. Dank der neuesten Avionik-Upgrades und der Integration neuer Waffen werden relevante, unverzichtbare Fähigkeiten erhalten.“ Des Weiteren lobte er die Möglichkeiten vor Ort: „die Verfügbarkeit des sehr großen Luftraumes war die große Stärke des diesjähigen NATO Tiger Meet. Dank der Koordination mit den nationalen zivilen Air Traffic Controllern konnten wir über einem Gebiet operieren, das ungefähr der Fläche der Niederlande entsprach. Wir haben von den Delegationen unserer Verbündeten während ihres Besuchs nur positives Feedback erhalten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass bis zum nächsten NTM in Italien nicht wieder über 30 Jahre vergehen werden.“
Ebenfalls am Ende der Übung werden traditionell die Auszeichnung verliehen. Der große Gewinner waren 2023 dabei die Bavarian Tigers mit ihren Eurofightern aus Neuburg. Die Silver Tiger Trophy prämiert die beste Gesamtleistung. Dazu zählten nicht nur fliegerische Leistungen, sondern auch ein hoher Klarstand der Maschinen. Sicher nicht unerheblich ins Gewicht fielen der geschlossene Auftritt mit großzügiger Interpretation der Anzugsordnung und die eine oder andere Sketcheinlage der Techniker am Rande des Taxiways. Der Preis für die schönste Tigerlackierung ging ebenfalls nach Bayern. Im nächsten Jahr wird das NTM dann nach zehn Jahren Pause wieder in Deutschland stattfinden. Das TaktLwG 51 in Schleswig – Jagel wird von 03.- 14. Juni 2024 Gastgeber für die Tiger Staffeln der NTA und für 2025 steht Beja in Portugal bereit. ■
Tiger – Tiger – Tiger!!!
Die Tradition der Sonder“lackierungen“ der „Bavarian Tigers“ wurde natürlich auch für das NTM 2023 fortgesetzt. Die klassischen Tigerfarben dominieren den „74 TIGER“. Ihr farbiges Kleid erhielt die „30+76“ in Form einer Folierung. Der gebürtige Neuburger Alexander Hamm setzte wie gewohnt die Folierung mit seiner Werbefirma um. Für das Design verantwortlich ist dieses Mal der Österreicher Chris Erhart vom Bundesheer. Der Eurofighter Mechaniker arbeitet nebenberuflich als Designer und hat schon etliche bunte Luftfahrzeuge des Bundesheeres kreiert. Circa 20 Stunden Arbeit hat Erhart in den „74 Tiger“ investiert, erzählt er. Die viele Arbeit hat sich mit dem Gewinn des schönsten Tiger Designs auf dem NTM23 definitiv gelohnt. In Gioia räumten seine Werke sogar doppelt ab. Auch der 3. Platz, welchen der rot-weiß-rote Eurofighter des Bundesheeres gewann, stammt natürlich aus seiner Feder.
Die 30+76 wurde im Juni 2023 in Neuburg foliert und dann zum Mini Tiger Meet am 07. Juli 2023 in Neuburg öffentlichwirksam präsentiert. Nach mehreren hundert Stunden Flugzeit endete die Zeit als Tiger dann im Januar 2024. Das klassische Design sollte eine Anspielung an die 70´er Jahre darstellen. Auch die Neuburger Piloten waren in Italien im Retro Style unterwegs. Für das Kommando wurden extra orange „Flugdienstanzüge“ besorgt, wie man sie zu Starfighter-Zeiten in den 70ern trug. Einige Aufnahmen des wunderschönen Tiger Eurofighters:
■ Bilder & Text: Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR Oktober 2023