Das im bayerischen Neuburg an der Donau beheimatete Taktische Luftwaffengeschwader 74 hat in diesem Jahr gleich doppelt Grund zum Feiern. Neben dem 55 – jährigen Jubiläum des Verbands werden auch die ersten 10 Jahre mit dem Eurofighter gefeiert. Nach einer turbulenten Zeit mit der zwischenzeitlichen Stationierung in Lechfeld, reißen die Aufgaben und Anforderungen für die Luftverteidigungsspezialisten jedoch auch im Jubiläumsjahr nicht ab.
Als Mitte Oktober 2015 die letzten Eurofighter wieder in Neuburg aufsetzten endete für das Taktische Luftwaffengeschwader 74 (TaktLwG 74) eine 20-monatige Zeit der Abwesenheit. Der Flugbetrieb des Geschwaders musste aufgrund einer notwendig gewordenen Sanierung der Start- und Landebahn sowie weiterer Baumaßnahmen im Februar 2014 nach Lechfeld verlegt werden. Bei der Erneuerung der Bahn, die 35 Millionen Euro gekostet hat, wurden unter anderem 21.000 Tonnen Asphalt und 45.000 Meter Kabel verarbeitet. Die ursprünglich für neun Monate geplanten Bauarbeiten verzögerten sich jedoch mehrfach aufgrund von Munitionsfunden aus dem Zweiten Weltkrieg, Wettereinflüssen sowie vergaberechtlicher Verfahren erheblich. Noch nicht fertiggestellt ist der neue Tower samt Anflugkontrollgebäude, dessen Spatenstich am 14. Juni 2013 stattfand. Mit 25 Metern Höhe wird er das künftige technologische Herzstück sowie vorläufiger Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen am Fliegerhorst Neuburg sein. Der Bau mit 2.200 Quadratmeter Nutzfläche soll Anfang 2017 in Betrieb gehen. Seit Oktober 2015 operieren die Eurofighter wieder von Neuburg aus. Das Jubiläumsjahr bringt jedoch nicht nur bei der Infrastruktur Neuerungen. Die Jahresflugstunden werden auf geplante 3600 erhört, wobei es bereits seit Januar (geplant zunächst bis April – in der Winterzeit findet regelmäßiges Nachtflugtraining statt) jeweils Montags und Mittwochs probeweise einen „Drei-Runden“ Flugbetrieb mit geplanten Starts um 10, 14 und 18 Uhr gibt. Bisheriger Höchstwert bei den Jahresflugstunden mit dem Eurofighter waren 3204 im Jahr 2013. Derzeit stehen den aktuell rund 35 Piloten in Neuburg ca. 25 Eurofighter zur Verfügung. Als Zielgröße bis 2020 sind 41 Piloten mit jährlich jeweils rund 120 und somit insgesamt über 5000 Gesamtflugstunden im Jahr angedacht. Das gesamte Personal soll von derzeit über 820 Soldaten und zivilen Arbeitnehmern auf ca. 970 anwachsen.
QRA / SLIP
„Unser Auftrag ist und bleibt auch weiterhin der Einsatz“, verdeutlicht der Kommodore des TaktLwG 74 Oberst Holger Neumann die Hauptaufgabe des Verbandes. Konkret bedeutet dies die Stellung der Alarmrotte (QRA = Quick Reaction Alert) zur Überwachung des Luftraums im In- und ab September auch wieder im Ausland (Baltic Air Policing Estland). Das Geschwader ist ausschließlich auf die „Air-Air“ – Rolle, das bedeutet die Luftverteidigung in der Jagdfliegerrolle, spezialisiert. Die Alarmrotte für den süddeutschen Luftraum ist hierbei die wichtigste Aufgabe. Vier Flugzeuge stehen rund um die Uhr bereit und zwei müssen innerhalb 15 Minuten nach Alarmierung in der Luft sein. Hierzu sind die Jäger soweit flugklar und aufmunitioniert in einem eigenen Bereich untergebracht. „Unsere Alarmrotte steigt ungefähr einmal im Monat in die Luft“, erklärt Neumann und meint damit die tatsächlichen, scharfen Einsätze, die sogenannten A-Scrambles. Im Verhältnis zu den insgesamt rund drei Millionen Flugbewegungen im deutschen Luftraum ein minimaler Anteil. Meistens bricht lediglich die Funkverbindung zwischen den Controllern am Boden und dem Flugzeug ab und die Eurofighter können rasch wieder abdrehen. Die QRA startet allerdings auch im täglichen Flugbetrieb zu Übungseinsätzen (T-Scrambles). „Um innerhalb 15 Minuten starten zu können, müssen die Handgriffe perfekt sitzen, was bedeutet alle Checklisten müssen zügig, aber mit Sorgfalt abgearbeitet werden. Ein wenig Hektik ist auf der QRA immer vorhanden, sie darf aber niemals die Flugsicherheit beeinträchtigen“, erklärt ein frisch ausgebildeter QRA – Pilot. Gerade die jungen Piloten, die frisch von der Eurofighter Grundschulung beim TaktLwG 73 aus Laage kommen, müssen zuerst im Geschwader für die Aufgabe „Einsatz QRA“ vorbereitet werden. „Wir durchlaufen das sogenannte SLIP (Squadron Lead In Programm), welches ca. 6-9 Monate dauert. Es umfasst neben der Theorie 15 Flüge im Simulator und 10 real geflogene Missionen. Der Theorieteil wird u.a. bei einem TLP Course (non-flying) durchgeführt. Danach kann der Pilot, welcher den Status LCR (Limited Combat Ready) erreicht hat, als Flügelmann auf der Alarmrotte eingesetzt werden. Hier ist er zusammen mit einem weiteren Piloten und einer Bodencrew in einer 24 Stunden Schicht in ständiger Einsatzbereitschaft.
Übung und Einsatz
Nach Abschluss der umfangreichen Sanierungsarbeiten stellt sich das TaktLwG 74 auf ein besonders bewegtes Jahr 2016 ein. Um für die Einsätze bestens gerüstet und ausgebildet zu sein, ist ständige Übung unabdingbar. Neben dem täglichen Übungsflugbetrieb stehen 2016 auch wieder große, internationale NATO Übungen auf dem Programm. Das TaktLwG 74 plant an Frisian Flag in Leeuwarden/Holland (nur mit Piloten, Eurofighter wurden vom TaktLwG 31 gestellt) und dem NATO Tiger Meet in Spanien teilzunehmen. Seit 2013 ist man, nach Übernahme der Tigertradition vom JaboG 32, Mitglied in der NATO Tiger Association. Das Treffen in Zaragossa stellt die zweite vollwertige Teilnahme an der Hochwertübung nach 2014 in Schleswig – Jagel dar. Zwei weitere große Themen stehen im Mittelpunkt. Ab September übernehmen die Neuburger erneut das NATO Air Policing im Baltikum und stellen die Alarmrotte auch im Ausland zum Schutz der baltischen Staaten. Dafür verlegen bis zu sechs Eurofighter und rund 150 Soldaten bis Januar 2017 ins estnische Ämari. Daheim in Neuburg öffnen sich schon am 11. Juni 2016 die Tore für alle Interessierten, wenn mit dem 2. Tag der Bundeswehr gleich drei Anlässe gefeiert werden: 60 Jahre Luftwaffe, das 55 – jährige Geschwaderjubiläum und 10 Jahre Flugbetrieb mit dem Eurofighter. Über 70.000 Besucher werden erwartet, denen auch ein Flugprogramm geboten werden soll. Die Besucher dürfen sich zusätzlich auf farbenfreudigere Eurofighter freuen, geplant sind Sonderlackierung sowohl anlässlich des Tiger Meets als auch des Geschwaderjubiläums. Das TaktLwG 74 steht auch im Jubiläumsjahr mit ihren Eurofightern vor großen Herausforderungen, denn ihr Auftrag ist der Einsatz. ■
FliegerRevue 06/2016, AIR International 09/2016
Ein ganz herzlicher Dank an die entsprechenden Beteiligten des TaktLwG 74, Kommodore Oberst Holger Neumann sowie der Presse – und Öffentlichkeitsarbeit / PIZ Luftwaffe.
Text: © Mathias Grägel
Bilder: © Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR Februar 2016