Wie in den Vorjahren fand die internationale Ausgabe der großen türkischen Übung „Anatolian Eagle“ wieder auf der 3’ üncü Ana Jet Üs/3rd Main Jet Base in Konya statt. Das Anatolian Eagle Training Center Command bildet eines der größten taktischen Trainingszentren für Luftkriegsführung der Welt. Vom 01. – 12.05.2023 flogen neben dem Gastgeber die Länder Azerbaijan, Pakistan, Qatar, UAE und UK ihre Missionen über Anatolien.
Die Wurzeln von Anatolian Eagle (AE) reichen zurück auf das Jahr 2001. Nach ihrer ersten Teilnahme an Red Flag 1997 in Nellis begann die türkische Luftwaffe (Türk Hava Kuvvetleri – THK) mit dem Aufbau einer eigenen Hochwertübung analog dem amerikanischen Vorbild. Seit der Gründung folgten weitere 49 nationalen und internationalen Ausgaben mit Teilnehmern aus 15 verschiedenen Nationen und über 25.000 Missions statt. Das Anatolian Eagle Training Center (AETC) hat seine Heimat dauerhaft auf der „3rd Main Jet Base“ in der Millionenstadt Konya gefunden. Die Übung umfasst verschiedene Aspekte der modernen Luftkriegsführung, einschließlich Luft-Luft-Kämpfen, Luft-Boden-Einsätzen und elektronischer Kriegsführung. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten im Luftkampf zu testen, taktische Missionen zu planen und auszuführen sowie ihre Kommunikations- und Koordinationsfähigkeiten in multinationalen Operationen zu verbessern. Mitten im dünn besiedelten Zentralanatolien gelegen, bietet Konya ideale Bedingungen für die Ausrichtung einer Übung dieser Art und Größe. Die Infrastruktur ist hervorragend, modern und teilweise extra für das AETC erstellt worden. Eigene Planungsgebäude der AE Operations von Blue, White & Red Air, ein Gebäude für soziale Einrichtung und nicht zuletzt die große „Eagle Ramp“ samt eigenem Wartungshangar wurden ab 2008 neu errichtet. Gigantische Lufträume ohne Einschränkungen stehen ohne lange Anflügwege zur Verfügung. Von Ground bis 50.000ft! Zusätzlich gab es noch ein weiteres Übungsgebiet über der Ägäis, nördlich von Zypern für maritime Operationen. Zwei Fregatten der Marine beteiligten sich hier ebenfalls an AE.
Dazu bietet AE alles was moderne Hochwertübungen wie auch RedFlag oder das NATO Tiger Meet ausmacht. AETC Commander Lt.Col. Hakan Girgin hierzu: „Wir freuen uns, alliierte und Partnernationen im Kommando des AETC begrüßen zu dürfen. Unsere Soldaten arbeiten daran, ihre Fähigkeiten und die Interoperabilität zwischen den teilnehmenden Nationen im Training bei Missionen wie Composite Air Operations, Time Sensitive Targeting, Dynamic Targeting, High-Value Airborne Asset Protection und Anti-Surface Air Operations zu verbessern. Unser Ziel ist hierbei eine realistische Nachbildung der heutigen Szenarien und Bedrohungslagen. Wir bieten vor allem unerfahrenen, jungen Piloten ein Training in großen verbundenen Operationen. Die Vermeidung des Verlusts von Kampfpiloten und Flugzeugen, aber auch im Erfahrungsaustausch und der Verbesserung der Interoperabilität stehen im Vordergrund.“
An Teilnehmern zählte man in diesem Jahr ca. 40 türkische und 20 internationale Fighter sowie etliche Supporteinheiten. Bei über 200 F-16 im Bestand, war es keine Überraschung das die türkischen „Viper“ den Großteil der Teilnehmer stellten. Gleich sieben türkische F-16 Staffeln flogen bei AE 2023. Neben den F-16 bot die THK noch Bayraktar Akinici Drohnen (341. Filo), KC-135R (Tankersupport / 101. Filo), E-7T (Airborne Early Warning & Control / 131. Filo) und Airbus AS532 (135. Filo) Hubschrauber für die CSAR Rolle auf. Vier aktive F-4E 2020s Phantoms der 111. Filo waren im Jahre 2023 für viele Luftfahrt Enthusiasten das Highlight der Tage in Konya. Sie flogen in der A2G Rolle.
Das internationale Teilnehmerfeld wurde ebenfalls von der F-16 dominiert, bot aber einen interessanteren Mix als noch in 2022. Zu den Stammgästen zählen die engen türkischen Verbündeten Pakistan mit 5xF-16C/D BLK 52 (No.5 Squadron „Falcons“ / Shahbaz AB) und Azerbaijan 3x Sukhoi Su-25 (Kyurdamir AB). Dazu gesellten sich vier britische Eurofighter (RAF Akrotiri). Ebenfalls mit dem Typhoon nahm die Qatar Emiri Air Force (7th Air Superiority Squadron / Tamim AB) teil. Die fünf anwesenden Jets entsprachen etwa der Hälfte der zu diesem Zeitpunkt ausgelieferten Flotte. Die 24 bestellten Eurofighter laufen gerade erst zu und so war die Teilnahme an einer Hochwertübung zu diesem frühen Zeitpunkt der Einführung des Musters eine große Leistung. Wenn auch die RAF hier tatkräftig unterstützte. Die Luftwaffe der Vereinigten Arabischen Emirate schickten mit fünf ihrer Block 60 F-16E/F aus Al Dhafra) die modernsten „Fighting Falcons“ nach Konya. Inoffiziell als „Desert Falcon“ benannt waren die F-16 bei AE 2023 je nach Missionsprofil entweder mit AGM-88 HARM oder AGM-65 Maverick ausgestattet. Die angekündigten F-15 Eagle aus Saudi – Arabien hatten kurz vor der Übung abgesagt. Die vor Ort stationierte E-3A AWACS der NATO war wie jedes Jahr für die Erstellung des Luftlagebildes integriert.
In den beiden Übungswochen wurden dann in großen Composite Air Operations (COMAOs) das Spektrum an Missionstypen von CAP (Combat Air Patrols), Fighter Sweep, SEAD/DEAD (Suppression/Destruction of Enemy Air Defenses), AI (Air Interdiction), CAS (Close Air Support) bis CSAR (Combat SAR) abgedeckt. Täglich wurden zwei „Eagle Missions“ mit insgesamt ca. 200 Sorties geflogen. Auffällig war das eine Mission pro Tag eine geringe Anzahl an teilnehmenden Jets beinhaltete. Schlechtes Wetter im Zielgebiet oder technischen Probleme (zwei UAE F-16 fielen z.B. während der drei Tage vor Ort aus) könnten hierfür die Gründe sein. Zur Durchführung der Angriffe konnten gleich drei Air-to-Ground Bombing Ranges in Karamar, Tersakan und Koc, welche mit verschiedene Luftabwehrsystemen bestückt waren, genutzt werden. Hier gab eine ganze Bandbreite an SAM – Gegnern wie die russischen SA-6 Gainfull, SA-8 Gecko, SA-11A/B Gadfly, ZSU-23-4 „Shilka“ und die westlichen Systeme Skyguard, Sparrow und Hawk sowie das mobile Radarsystem MTS. Einige dieser Systeme waren real vorhanden, ein Teil wurde simuliert. Das russische S-400 (SA-21 Growler) wurde hier am Medientag explizit nicht erwähnt. Die in Konya beheimatete 132. Filo stellte wieder die Red Air Komponente mit acht F-16.
Bei der diesjährigen Ausgabe waren zum dritten Mal aserbaidschanische SU-25 Frogfoots mit dem Talisman ADS-Pods (Airborne Defense Suite = Jammer) dabei. Während der Übung flog eine SU-25BM einen Einsatz mit zwei 1000-pound MK.83 Bomben, welche mit dem von Tübitak-Sage in der Türkei entwickelt und gebauten KGK Wing – Guidance kit ausgestattet waren. Nach einem einstündigen Flug kam die Frogfoot „blue 27“ mit nur noch einer Bombe zurück. Die andere wurde erfolgreich über der Range abgeworfen. Die türkische F-16C „87-0019“ in spezieller Pixeltarnung und eine weitere F-16D der 132. Filo agierten hier als Chasse Plane. Die F-16C ist für das nationale türkische Update Project „ÖZGÜR“ angedacht. Das Ozgur-Projekt dient zur Modernisierung der Avionik (u.a. AESA – Radar) der F-16 Block 30-Kampfflugzeuge im Bestand der türkischen Luftwaffe. Die Integration des KGK Kits an den Freifallbomben würde den aserbaidschanischen SU-25 neue Fähigkeit verleihen um Ziele über große Entfernungen mit hoher Präzision zu treffen.
Auch in Zukunft will die THK die Übung weiter ausbauen und noch komplexere, realistischer Missionen anbieten. Wenn von genügend Teilnehmer gewünscht sollen auch Nachtmissionen, im realen Kampfeinsatz die häufigsten Missionen, angeboten werden. Dazu sollen sich schnell bewegende statt statischer Ziele kommen und der scharfe Einsatz von Laser gelenkten Waffen (LGB). Insgesamt stärkt Anatolian Eagle die Kampffähigkeiten der türkischen Streitkräfte und fördert die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Die Übung bietet eine realistische und anspruchsvolle Umgebung, um taktische Fähigkeiten zu verbessern. Aufgrund von Baumaßnahmen in Konya findet in 2024 keine internationale Ausgabe von Anatolian Eagle statt. Eine der beiden Bahnen wird saniert. Die verbliebene Bahn und die langen Rollzeiten reichen nicht aus, um die Übung sinnvoll durchzuführen. Sollte alles ohne Verzögerung gebaut werden, ist für den Herbst 2025 die nächste Ausgabe geplant. ▪
Text & Bilder: © Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR Mai 2023