Wie in den Vorjahren fand die internationale Ausgabe der größten türkischen Hochwertübung „Anatolian Eagle“ auch 2016 wieder auf der 3’üncü Ana Jet Üs/3rd Main Jet Base Konya in Zentralanatolien statt. Das Anatolian Eagle Training Center Command bildet eines der größten taktischen Trainingszentren für Luftkriegsführung der westlichen Welt neben der Nellis Air Force Base, Heimat von Red Flag. Vom 30.05. – 10.06.2016 bot Anatolian Eagle 2016 die übliche Mischung aus lokalen Einheiten der türkischen Luftwaffe und internationalen Gästen, darunter Teilnehmer aus dem mittleren Osten. Keine zwei Monate später kam es zum vereitelten Militärputsch im Land.
Die Wurzeln von Anatolian Eagle (AE) reichen zurück auf das Jahr 2001. Nach der ersten Teilnahme der türkischen Luftwaffe (TuAF) an RedFlag in Nellis 1997 begann die Türkei mit dem Aufbau einer eigenen Hochwertübung analog dem amerikanischen Vorbild. Die erste Übung fand 2001 in Konya statt und seitdem nimmt ihre Bedeutung immer weiter zu. „Eagle Operations“ Kommandeur und Head of Operations Konya Air Base Oberst Mustafa Erturk erklärte, die TuAF will AE „zur prestigeträchtigsten und international renommiertesten Übung der Welt entwickeln“. Ein ambitioniertes Ziel, jedoch ist AE bereits jetzt die größte Hochwertübung der westlichen Welt neben RedFlag und bietet deren Vorteile einem Ort, welcher für die Luftwaffen Europas und des mittleren Ostens wesentlich einfacher, billiger und schneller zu erreichen ist. Allein die Verlegung nach Amerika ist für Luftwaffen aus Europa oder Asien mit einem immensen finanziellen und logistischen Aufwand verbunden, welcher beim Transfer in die Türkei wesentlich geringer ausfällt. In Zeiten schrumpfender Militärbudgets ein wichtiger Faktor. Die „3rd Main Jet Base“ in der Millionenstadt Konya am Rande der riesigen und dünn besiedelten Konya-Ebene in Zentralanatolien gelegen, bietet ideale Bedingungen für eine Übung dieser Art und Größe. Die Infrastruktur ist hervorragend, modern und extra für das Anatolian Eagle Training Center Command ausgelegt. Eigene Planungsgebäude für Blue, White & Red Air, ein Sozialgebäude und die ausgedehnte „Eagle Ramp“ (eine Platte für bis zu 50 Jets mit Wartungshangar) wurden in den letzten Jahren errichtet. Riesige Lufträume ohne Einschränkungen stehen nach kurzen Anflügen zur Verfügung. Dazu bietet AE alles was Hochwertübungen wie RedFlag oder das NATO Tiger Meet brauchen. Colonel Mustafa Erturk hierzu: „Unser Ziel ist es eine realistische Nachbildung der heutigen Szenarien zur Verfügung zu stellen um unerfahrenen, jungen Piloten Training in großen verbundenen Operationen bieten zu können. Gerade um diese auf die ersten Missionen im Einsatz, die schwierigsten und verlustreichsten, vorzubereiten. Zusätzlich steht der Austausch von Erfahrung zwischen den Teilnehmern und die Verbesserung der Zusammenarbeit im Fokus.“
In diesem Jahr waren mehr als 45 türkische und 23 internationale Kampfjets sowie weitere Supporteinheiten an der drei-wöchigen Übung beteiligt. Täglich wurden zwei der „Eagle Missions“ geflogen, wobei die TuAF den Großteil der fliegenden Einheiten stellten. Geflogen wurde in einem rund 50,000 Square Meilen und bis zu 50,000ft hohem Luftraum 100km östlich von Konya. Zusätzlich gab es noch ein weiteres Übungsgebiet über der Ägäis, nördlich von Zypern für maritime Operationen. Ein Gebiet, welches genügend Raum für die rund 60-70 Jets pro Eagle Mission bot. Mit über 200 F-16 im Bestand, war es keine Überraschung das die „Viper“ den Großteil der Teilnehmer stellte. Gleich fünf türkische F-16 Basen schickten rund 40 Jets nach Konya. Dazu stellte die in Konya beheimatete 132. Filo wieder die Red Air Komponente. Neben den F-16 bot die TuAF noch F-4E 2020s (111. Filo), CN235 (201. Filo), C-130E (222. Filo), KC-135R (101. Filo) 737AEW&C (Airborne Early Warning & Control Peace Eagle Konya’s based 131. Filo) und AS532 / UH-1N (135. Filo) auf. Das internationale Teilnehmerfeld setzte sich aus Tornados aus Italien (6° & 50° Stormo / Ghedi & Piacenza) und Saudi-Arabien (11. Wing / Dhahran), F-16 aus Pakistan (No.11 Squadron „Arrows“ / Mushaf), einem niederländischen KDC-10 Tanker (334 SQN / Eindhoven) und AWACS der NATO zusammen. Normalerweise werden für jedes AE vier Länder mit Kampfjets geladen. Dieses Jahr nahm die eingeladene RAF jedoch nicht teil. Die Briten wollten mit den Hawks der No. 100 Squadron die Red Air Rolle unterstützen (wie z.B. oft beim TLP), was jedoch laut Oberst Erturk keinen Mehrwert für AE bringt: „Ein Jet ohne Radar oder entsprechender Bewaffnung in der Red Air Rolle bietet keinen Trainingswert.“ Die Briten reisten nicht nach Konya.
Die Übungsplaner sind immer bestrebt den Lehrwert der Übung zu verbessern und so wurden auch während AE2016 einige Neuerungen eingebaut. Beispielsweise wurde ein CSAR Support Package, bestehend aus Hubschraubern der 135. Filo, bei jeder „Eagle Mission“ eingeführt. Dieses Packet musste durch Jets, meist türkische F-16, geschützt werden (CSAR escort „top cover“). Eine weitere Neuerung war die Verwendung von gleich drei Air-to-Ground Bombing Ranges, welche mit mobilen Surface-to-Air Missiles bestückt waren. Alle entsprechend ausgerüsteten Kampfjets waren freigegeben um „flare & chaff“ einzusetzen, Überschall zu fliegen und elektronische Gegenmaßnahmen zu verwenden. Zum ersten Mal wurden mit den türkischen KC-135R Tanker auch ausländische Jets in der Luft betankt. Die pakistanischen F-16 waren die ersten nicht-türkischen Abnehmer für die Tanker aus Incirlik. Auch in Zukunft will die TuAF die Übung weiter ausbauen und noch komplexere, realistischer Missionen anbieten. Wenn von genügend Teilnehmer gewünscht sollen auch Nachtmissionen, im realen Kampfeinsatz die häufigsten Missionen, angeboten werden. Dazu sollen sich schnell bewegende statt statische Ziele kommen und der scharfe Einsatz von Laser gelenkten Waffen (LGB). Die italienischen Tornados setzten schon dieses Jahr GBU-12 LGB´s ein. In wie weit AE von den nur wenige Wochen nach AE 2016 stattgefundenen Militärputsch in der Türkei betroffen ist und welche Auswirkung die damit verbundenen Festnahmen von vielen türkischen Militärs (auch in Konya, unbestätigten Meldungen zufolge wohl auch Oberst Erturk) haben, wird die Zukunft zeigen.▪
„Our target is to provide a realistic operational environment to give inexperienced pilots exposure to being part of a large force in wartime conditions, with the aim of increasing their survivability, especially in the early days of a war. It also provides an opportunity for an exchange of experiences amongst participating aircrew and the facility to improve interoperability between different air forces operating different types of aircraft“
Oberst Mustafa Erturk, AE Operations Kommandeur
Text & Bilder: © Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR Juni 2016