Die griechische Luftwaffe veranstaltete erneut ihre jährliche Großübung Iniochos mit internationaler Beteiligung. Auf dem Luftwaffenstützpunkt in Andravida fanden sich ca. 75 Flugzeuge aus fünf Nationen ein. Weiter nahmen zwei Flugzeugträger teil und ihre Premiere gaben die neuen griechischen Rafale. Unter Führung der ansässigen Waffenschule wurde das gesamte Spektrum moderner Luftkampfmissionen geübt.
Im Nordwesten der griechischen Peloponnes – Halbinsel ist der 117. Combat Wing auf der Luftwaffenbasis Andravida beheimatet. Neben der 338. MIRA „Aris“ mit ihren McDonnell Douglas F-4E AUP Phantom II ist hier auch das Taktikzentrum der griechischen Luftwaffe (HAF Air Tactics Center), in welches wiederum die Waffenschule integriert ist, stationiert. Unter deren Federführung fand vom 27. März bis 08. April die jährliche Großübung Iniochos statt. Iniochos wurde bereits in den 1980´er Jahren zum ersten Mal in rein nationalen Rahmen durchgeführt und entwickelte sich seitdem sukzessive weiter. Ab 2015 wurden auch geladene internationale Gäste integriert. Von Beginn an sind Israel sowie die USA feste Partner mit jährlicher Teilnahme fliegender Einheiten. Auch 2022 stellten sie wieder den Großteil der Gastflugzeuge. Die weiteren fliegenden Teilnehmer kamen aus Italien, Frankreich, Slowenien und Zypern. Insgesamt wurden um die 2.000 Soldaten und rund 70 Flugzeugen nach Andravida verlegt. Dazu nahm eine ganze Reihe an Staaten als Beobachter teil. Darunter Albanien, Ägypten, Österreich, Nordmazedonien, Vereinigtes Königreich, Indien, Kanada, Kroatien, Kuwait, Marokko und Saudi-Arabien. Die USAF Europe entsandte 14 F-15E Strike Eagle aus dem englischen Lakenheath. Von ihrer Heimatbasis in Sigonella (Italien) operierte eine MQ-9 Reaper Drohne. Israel verlegte elf F-16I „Sufa“ von der Ramon Air Base, einen KC-707 Tanker und eine Gulfstream G-550 AEW ‘Eitam’ Frühwarnsystem nach Griechenland. Italien schickte wie in den Vorjahren sechs Tornado IDS/ECR aus Ghedi. Der einzelne AW139 SAR Hubschrauber aus Zypern flog meist in den CSAR Missionen. Slowenien überraschte mit der Teilnahme von zwei PC-9 Trainer, die u.a. als Ziele für Slow Mover Intercepts dienten.
Den Großteil der fliegenden Kräfte stellte logischerweise der Gastgeber selbst, insgesamt rund 40 Kampfflugzeuge. Neben den in Andravida stationierten F-4E Phantom ll nahmen u.a. auch Dassault Mirage 2000, Lockheed C-130H Hercules, Embraer 145H und natürlich eine große Anzahl F-16 teil. Gleich vier Geschwader mit insgesamt acht Staffeln sind in Araxos, Larissa, Souda / Chania (Kreta) und Nea Anchialos mit verschiedensten F-16 Varianten (Block 30, Block 50, Block 52+) ausgerüstet. Die meisten F-16 Staffeln verlegten (i.d.R. vier) Flugzeuge nach Andravida. Ihre Premiere bei der Übung gaben die neuen Dassault Rafale. Im Januar 2022 wurden die ersten sechs Rafale nach Griechenland überführt. Die griechische Luftwaffe hat die Teilnahme der Rafale an Iniochos recht offensiv beworben, jedoch wurden sie nicht nach Andravida verlegt. Sie flogen ihre Übungsmissionen von ihrer Heimatbasis in Tangara aus. Die 332 MIRA dürfte noch intensiv mit der Ausbildung auf dem neuen Muster ausgelastet sein. Wie weit sie mit ihren erst sechs Jets und der erst relativ kurzen Zeit schon eine große Rolle bei der Übung spielten, ist schwer zu beantworten. Dassaults Vertrag mit der griechischen Luftwaffe beinhaltet zwölf gebrauchte Rafales aus französischen Beständen sowie sechs neu gebaute Exemplare. Mittlerweile hat Griechenland seine Order um weitere sechs Flugzeuge auf nunmehr 24 Rafales aufgestockt.
Aufgewertet wurde die Übung in diesem Jahr durch zwei Flugzeugträgerverbänden. Griechenlands neuer starker Verbündeter Frankreich war mit der Charles de Gaulle und deren Rafale M beteiligt. Die USS Harry S. Truman (CVN 75) der US Navy lag noch wenige Tage vor Übungsbeginn in Souda Bay auf Kreta vor Anker. Nachdem auslaufen in die Ägäis waren die Marineflieger mit ihren F-18 Super Hornet intensiv in die täglichen Flüge eingebunden. Beide Trägergruppen operieren seit geraumer Zeit im Mittelmeer und verbleiben aufgrund der Ukrainesituation wohl auch erstmal dort.
Das große Übungsgebiet erstreckte sich dabei über die Halbinsel Peloponnes, die westlich davon gelegenen Seegebiete des Ionischen Meeres sowie der Ägäis. Brig. Gen. Nikoloas Kokkonis, Kommandant des Taktikzentrums wies auf die außergewöhnlichen geographischen Bedingungen in Griechenland hin, welche große Lufträume und eine Vielzahl von Geländetypen bietet. So wurde über Wasser, flachem Gelände, Gebirgen und den vielen Inseln der Ägäis geflogen. Vor allem der Tiefflug wurde in den Tälern der Peleponnes intensiv geübt. Den Teilnehmern wurde ein vollständig simulierter Kriegsschauplatz zur Verfügung gestellt, inklusive der Nutzung der Schießplätze in Chrisoupolis und Kastellorizo mit scharfer Munition. Im gleichen Zeitraum fand parallel das Manöver „Orion 22“ für Spezialkräfte statt. Insgesamt wurden in zwei Wochen von den Teilnehmern rund 1000 Missionen geflogen. Das israelische Kontingent nahm nur in der ersten Woche teil. Ein umfangreicher Teil der Übung bestand aus Nachtflugmissionen mit Flugbetrieb bis Mitternacht. Die amerikanische F-15E flogen in der zweiten Übungswoche sogenannte „Integrated Combat Turns“ nach Souda Bay auf Kreta. Bei diesen Flügen landeten die F-15 nach ihrer morgendlichen Iniochos Mission auf Kreta. Dort wurden sie mit laufendem Triebwerk betankt und bewaffnet und hoben direkt wieder ab. Ziel war es die erste Mission mit einem „cleanen“ Jet im Luftkampf zu fliegen um dann in der zweiten Mission über dem Schießplatz scharfe Bomben abzuwerfen und nach Andravida zurück zu kehren.
Obwohl die Übung weit vor den aktuellen Ereignissen in der Ukraine angesetzt und geplant wurde, hatte dies natürlich Auswirkungen auf Iniochos. Die rumänische Luftwaffe plante erstmals mit ihren F-16 teilzunehmen, sagten jedoch mit Kriegsausbruch im Nachbarland ab. Der Ukrainekrieg machte nicht nur Deutschland, sondern den Streitkräften aller Nationen noch einmal sehr deutlich, dass sie in der Lage sein müssen ihre militärischen Fähigkeiten jederzeit abrufen zu können. Die NATO und ihre alliierten Länder sind mehr denn je darauf angewiesen, dass vor allem ihre Luftstreitkräfte schnell und präzise auf Herausforderungen wie komplexe Krisen bis hin zum Kriegszustand im unmittelbaren Grenzgebiet des Bündnisses reagieren können. Das Hauptziel der Übung besteht darin ein maximal realistisches, operationelles Training anzubieten. Das Einsatzszenario soll dabei eine simulierte aber hochgradige und mehrfache Bedrohungslage beinhalten. Das gesamte Spektrum moderner Luftkriegsoperationen wurde abgedeckt und umfasste dabei die komplette Brandbreite heutiger Luftkriegsaufgaben: von klassischer Luftverteidigung und Herstellung der Lufthoheit über den Schutz von eigenen Luftfahrzeugen oder Konvois am Boden, Luftaufklärung, Combat Search and Rescue, bis hin zu konventionell und Laser/GPS-gelenkten Präzisionsangriffen auf starre wie bewegliche Boden- und Seeziele. Das Training in der Planung und Durchführung der schwierigen Combined Air Operations in dieser anspruchsvollen Umgebung ist vor allem für noch unerfahrenere Besatzungen gedacht. Ein besonderer Schwerpunkt lag in diesem Jahr erneut auf Joint Terminal Attack Controller-Missionen. Die amerikanischen JTACs kamen u.a. aus Deutschland von der 4th Air Support Operations Group aus Wiesbaden und der 4th Combat Training Squadron aus Ramstein. Vor allem die Kommunikation zwischen den Crews im Cockpit und den JATCs am Boden stand hier im Fokus.
Das Übungsszenario begann mit einer Krisensituation, die zu einer vollständigen Kriegslage eskalierte. In der ersten Übungswoche lag der Fokus auf der Neutralisierung der feindlichen Luftabwehr (SEAD), der Degradierung der operativen Fähigkeiten der feindlichen Stützpunkte und die anschließende Zerstörung wichtiger Infrastrukturobjekte wie beispielsweise Brücken oder elektrische Kraftwerke des Feindes. In der zweiten Woche folgten vermehrt maritime Operationen. Die Ergebnisse der geflogenen Missionen beeinflussten direkt den weiteren Verlauf der Übung und schafften so ein realistisches Umfeld, in dem die taktische Flexibilität der Besatzungen gefordert wurde. Jeder gewonnene oder verlorene Luftkampf am Morgen hatte direkte Auswirkung auf die Missionen am Nachtmittag. War der Vormittag erfolgreich, stiegen am Nachmittag geringfügig weniger feindliche Kräfte auf und umgekehrt. Die Waffenschule war hier für die Überwachung der Qualität des Trainings, der taktischen Relevanz der Aufgaben und der Ergebnisse verantwortlich.
Iniochos entwickelt sich stetig weiter zu einer der wichtigsten Übungen dieser Art in Europa, was allein die erneut gesteigerte und sehr hohe Zahl an Beobachter und damit potenziellen zukünftigen Teilnehmern zeigt. Wie üblich kamen keine detaillierten Ergebnisse an die Öffentlichkeit, aber alle Teilnehmer lobten den hohen Grad an Realismus der Szenarien und die Vielzahl anspruchsvoller Echtzeitbedrohungen. „Jedes Jahr veranstaltet die griechische Luftwaffe diese Übung und jedes Jahr wird sie immer besser“, sagte Lt. Col. Daniel Etue, Kommandant der 492nd FS / 48th FighterWing aus Lakenheath, der schon in 2018 teilnahm. „Wir flogen ein breites Spektrum an Missionstypen, darunter viele CAS- and Tiefflugmissionen. Dazu war es uns möglich scharfe Waffen über der Range abzuwerfen.“ Ein israelischer Pilot ergänzte: „Die Bedrohungen waren sehr anspruchsvoll und die schwierigen Missionen erforderten eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ländern. Während Iniochos konzentrierten wir uns auf Tiefflüge und Luftangriffe über feindlichem Gebiet.“ „Dies ist das achte Jahr, in dem wir an der Iniochos teilgenommen haben – eine Übung mit einem hochwertigen Training, Wissensaustausch und Lerneffekt“, fügte der israelische General Amir Lazar hinzu. Die internationale Zusammenarbeit bezeichnete er als „einen Eckpfeiler unserer Ausbildung“. ■
FliegerRevue 07/2022
■ Bilder & Text: Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR April 2022