Die Überwachung des Luftraums ist auch in Friedenszeiten eine Kernaufgabe der NATO. Die „Luft Polizei“ (Air Policing) – Mission stellt die Integrität der Bündnispartner in der dritten Dimension sicher und schützt seine Bürger kontinuierlich an 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. In Deutschland stehen zwei Alarmrotten bereit, die durch die NATO alarmiert werden.
Bei einem Übungsflug simulierten am 12. September die Alarmrotten von zehn europäischen NATO Bündnispartnern den Abfangeinsatz auf ein in den jeweiligen Luftraum eindringendes Zielflugzeug. Dieses wurde durch einen Airbus A321 der belgischen Luftwaffe dargestellt. Auf seinem Weg von Melsbroek Air Base Brüssel, Belgien (NATO Sitz) via Deutschland, die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Italien und Frankreich ins spanische Torrejon bei Madrid wurde er mehrfach abgefangen. Mit dieser Übung demonstrierte die NATO seine Luftraumüberwachungsfähigkeit. Diese ist für jeden souveränen Staat und das Bündnis eine Kernaufgabe. Überwacht, geleitet und gesteuert werden diese Luftpolizeieinsätze von den beiden multinational besetzten NATO Combined Air Operations Centre´s (CAOCs). Zu Friedenszeiten ist ein CAOC im Rahmen des NATO Integrated Air and Missile Defence Systems (NATINAMDS) zuständig für die Luftraumüberwachung in einem zugewiesenen – länderübergreifenden – geografischen Bereich, einer sogenannten Air Policing Area. Für Europa sind zwei CAOCs in Uedem Deutschland (Air Policing Area Nord) und dem spanischen Torrejon für den Süden vorhanden. Die CAOCs stehen sowohl mit militärischen Radarstationen und zivilen Flugverkehrskontrollstellen in Verbindung. Für den Fall von Unregelmäßigkeiten im Luftverkehr sind dem jeweiligen CAOC dann nationale Alarmrotten zugeordnet, die es für eine Sichtüberprüfung bzw. für ein Abfangen des Ziels alarmieren kann. Die CAOC´s unterstehen dem NATO Allied Air Command Headquarter in Ramstein. Jedes CAOC ist ein NATO Gefechtsstand zur Führung der Luftstreitkräfte und das jeweils vorgesetzte Einsatzkommando für die nationalen Control and Reporting Center (CRC – Radarkontrollzentren). Der Auftrag der CRCs besteht in der radargestützten Luftraumüberwachung, Sicherstellung der Unversehrtheit des Luftraums und der Durchsetzung der Lufthoheit. Der deutsche Luftraum wird in den nationalen CRC´s der zwei Einsatzführungsbereiche der Luftwaffe überwacht. Bei einem Eindringen eines unbekannten Objektes in den Luftraum, unplanmäßiger Veränderung von Flugrouten, Verlust des Funkkontaktes oder Luftnotlagen, wird dann das CAOC in Uedem und das Nationale Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum (NLFZ SiLuRa, ebenfalls Uedem) benachrichtigt. Für rein militärische Bedrohungen bleibt die Verantwortung während des ganzen Einsatzes bei der NATO, mögliche terroristische Bedrohungen aus der Luft oder sämtliche zivile Fälle werden nach deren Erkennung in nationale Verantwortung übergeben. Mit an Board des A321 war Generalleutnant der spanischen Luftwaffe Ruben C. Garcia Servert, Kommandeur des CAOC Torrejon. „Die NATO ist relevant. Das ist nicht nur graue Theorie“, sagte Servert an Bord des belgischen Militärtransporters, als italienische Eurofighter in der Nähe des Cockpits flogen, um das Abfangen zu simulieren. Der Hauptgrund für die Alarmierung der Alarmrotten ist ein sogenannter „CommLoss“. Darunter versteht man Flugzeuge, bei denen der Funkkontakt zur zivilen Flugsicherung unterbrochen wurde und zu denen keine Kommunikation mehr möglich ist. „Die meisten unserer Einsätze sind aufgrund von CommLoss. Zum Glück sind so gut wie alle keine Bedrohung, sondern meist technisches oder menschliches Versagen. Trotzdem müssen wir diese Fälle überprüfen, zum Schutz der Bürger“.
Wie funktioniert eine QRA Abfangmission in der Praxis?
Die Radargeräte in den CRC´s verfolgen täglich rund um die Uhr die Routen der rund 30.000 Luftbewegungen innerhalb des europäischen Luftraums. Wenn ein entsprechendes Flugzeug nicht mit seinem Transpondercode identifiziert werden kann, der Funkkontakt mit der zivilen Flugsicherung abbricht oder keinen Flugplan eingereicht hat, wird der entsprechende Flug an das zuständige CAOC gemeldet. Dieses entscheidet darüber, ob eine QRA – Rotte (Quick Reaction Alert Interceptor – zwei Abfangjäger in Bereitschaft = Alarmrotte) von einem der NATO Luftwaffenstützpunkte gestartet werden soll. Rund 60 Jets stehen europaweit rund um die Uhr für solche Einsätze bereit. Die Alarmrotten sind in einer ständigen 15-Minuten-Bereitschaft, die 24 Stunden am Tag über 365 Tage im Jahr aufrechterhalten wird. Je nach Ereignisfall kann die Bereitschaftszeit vom CAOC auf zehn, fünf oder zwei Minuten herabgesetzt werden. Noch auf dem Weg zur Runway oder kurz nach dem Start erhält der Pilot die notwendigen Informationen. Nach dem Start wird die Alarmrotte durch Jägerleitoffiziere in die Nähe des nicht identifizierten Flugzeugs gebracht. Ist das Flugzeug erreicht, führen die Besatzungen eine Sichtidentifizierung des Flugzeuges durch und versuchen, über Funk oder mittels Handzeichen Kontakt mit der Besatzung aufzunehmen. Die Besatzung der Alarmrotte identifiziert das Flugzeug und die Fluggesellschaft, das angestrebte Flugziel sowie mögliche Probleme der Maschine. Dabei befindet sich ein Jet ständig in Sicherungsposition hinter dem nicht identifizierten Flugzeug. Bleibt die Kontaktaufnahme erfolglos, oder lässt sich das Flugzeug nicht von seiner nicht genehmigten Flugroute abbringen, wird fallweise über weitere Maßnahmen entschieden. In Übereinstimmung mit den entsprechenden Regularien der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) und der NATO führen die Alarmrotten ihre Scrambles standardisiert durch. In Deutschland befinden sich jeweils eine Alarmrotte auf den Fliegerhorsten im ostfriesischen Wittmund und im bayerischen Neuburg an der Donau in einer 15-Minuten-Bereitschaft.
Spezielle NATO Air Policings: Baltikum, Island, Rumänien, Cross Boarder
Neben der klassischen Air Policing Aufgabe, bei der jedes Bündnispartner seinen Luftraum mit eigenen Mitteln schützt, gibt es noch weitere Modelle. Für NATO-Staaten, die nicht über die erforderlichen Luftwaffenkapazitäten verfügen (Albanien, Estland, Island, Luxemburg, Montenegro, Lettland, Litauen und Slowenien), bestehen Vereinbarungen zur Gewährleistung der Luftraumsicherheit durch die Alarmrotten anderen Bündnispartner.
Generalleutnant Servert betonte das „die Mission in all ihren Varianten, egal von welchem Bündnispartner in welchem Luftraum durchgeführt immer dieselbe sei. Sie wir dank umfangreicher Ausbildung standardisiert auf einem sehr hohen Level ausgeführt. Die heutige Übungsmission soll bestätigen, dass der Luftraum der NATO-Mitgliedstaaten zu jeder Zeit sicher und kontrolliert ist.“ ■
FliegerRevue 12/2018
Ein ganz herzlicher Dank an die entsprechenden Beteiligten der Pressestellen des NATO Aircom HQ und dem EATC.
■ Bilder & Text: Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR September 2018