Das Taktische Luftwaffengeschwader 74 (TaktLwG 74) ist einer der wichtigsten Luftwaffenverbände des Landes. Beheimatet ist es in Neuburg an der Donau im Herzen von Bayern. Ausgerüstet mit dem Eurofighter sichern die Luftverteidigungsspezialisten rund um die Uhr den süddeutschen Luftraum. Die „Bavarian Tigers“ feierten 2023 ihr 10 – jähriges Jubiläum und krönten sich beim Tiger Meet zur besten Tigerstaffel der NTA. Einen Wechsel gab es an der Geschwaderspitze.
Das sich die sicherheitspolitische Lage in Europa seit Beginn des Ukrainekrieges geändert hat, spürt man nicht nur in den täglichen Nachrichten. Auch für die NATO- und Bundeswehreinheiten sind es intensivere Jahre als vor dem 24.02.2022. So waren die Neuburger Eurofighterpiloten bei Kriegsausbruch in 2022 „nah dran“ am Geschehen. In Rumänien verstärkten sie die NATO-Südflanke. Wenige Monate später umrundeten sie die halbe Welt um im Rahmen von Rapid Pacific bis nach Australien zu verlegten. Wer nun zu Jahresbeginn 2023 dachte, dass es für den Verband ruhiger wird, irrte. Das Jahresprogramm war vollgepackt und so konnte auch Oberst Jürgen Schönhöfer, Kommodore des TaktLwG 74, auf ein erneut ereignisreiches Jahr für seine Soldaten zurück blicken. Er selbst, bzw. sein Dienstposten an der Spitze des Verbandes, standen gleich zu Jahresbeginn im Fokus. Mit allen militärischen Ehren übernahm er am 11. April von seinem Vorgänger Oberst Gordon Schnitger die Führung des Verbandes. Während seiner Zeit an der Donau konnte der scheidende Schnitger auf dreieinhalb ereignisreiche Jahre zurückblicken – 60. Jubiläum des Geschwaders, Kriegsbeginn in der Ukraine, Kontingentführer bei „Rapid Pacific“ und natürlich die Covid Zeit seien hier als Eckpunkte seiner Amtszeit genannt. Für Schnitger ging es weiter nach Berlin ins Kommando Luftwaffe, wo er als Referatsleiter den Bereich Weiterentwicklung übernahm.
Nachfolger Schönhöfer ist in Neuburg kein Unbekannter. Der gebürtige Franke lebt seit 2006 mit der Familie in Neuburg und war bereits von 2006 bis 2009 als Staffelkapitän im Geschwader. Vor seiner „Traumverwendung“ war er als Referatsleiter im Planungsamt der Bundeswehr eingesetzt. „Als Kommodore eines Fliegenden Verbandes ausgewählt zu werden, ist für mich das größte Privileg meiner bisherigen militärischen Karriere. Besonders freue ich mich darüber, an meinem Heimatort in Neuburg zukünftig die Geschicke des TaktLwG 74, welches mich seit meiner Zeit als Staffelkapitän immer begleitet hat, leiten zu dürfen“, so der 49-Jährige. Zu seinem Dienstbeginn waren seine ihm unterstellten Piloten und Eurofighter jedoch erst einmal nicht zu Hause in Neuburg anzutreffen. Vom 14. April bis 17. Mai wurde der tägliche Flugbetrieb nach Lechfeld verlegt. Die routinemäßige Startbahnsanierung in Zell stand an. Diese umfasste unter anderem die Sanierung der Taxiways, der Startbahn sowie Tiefbauarbeiten an der gesamten Befeuerungsanlagen im Bereich der Taxiway.
Selbstverständlich waren die oberbayerischen Flieger auch an DER Übung der Luftwaffe des Jahres 2023 beteiligt. Air Defender im Juni stellte die größte Luftwaffen-Verlegeübung seit 1949 dar. In zehn intensiven Übungstagen wurde vor allem mit den Gastmaschinen auf dem Lechfeld viel geflogen. Neuburg beherbergte nur drei spanische Eurofighter für die erste Übungswoche. Schönhöfer zog ein sehr positives Fazit: „Air Defender 2023 war aus unserer Sicht ein voller Erfolg.“ Bilanz zog er auch in Hinblick auf die Rolle des Fliegerhorsts Lechfeld. Diesen betreibt man derzeit mit der „Flugplatzstaffel Lechfeld“ als Ausweichflugplatz für den täglichen Flugbetrieb in Neuburg, für Geschwaderverlegungen oder eben die Aufnahme von Gastluftfahrzeugen (regelmäßige Besucher sind die italienischen Tornados). „Das Lechfeld habe mit Air Defender 2023 erneut bewiesen, wie wichtig es für die Rolle Deutschlands als Drehscheibe für die Nato in Europa ist“, so das Fazit des Kommodores. „Wir brauchen den Fliegerhorst südlich von Augsburg auch in Zukunft dringend“, war Fazit und Botschaft, in diesen Zeiten nicht zuletzt in Richtung der politischen Verantwortlichen, zugleich.
Der bekannte Kernauftrag zur Sicherung des süddeutschen Luftraumes vor potenziellen Bedrohungen wurde von September bis Jahresende dann geografisch erweitert. Die stets bewaffnete QRA übernahm auch das NATO Air Policing über der Slowakei an der Ostflanke des Bündnisses. „Es gehe vor allem darum, den slowakischen Luftraum mit Schutzflügen abzusichern und so unseren Beitrag zur Einsatzbereitschaft und Bündnisfähigkeit zu leisten“, erklärt Schönhöfer hierzu. Aber auch darum, ein sichtbares Zeichen zu setzen, das besage: „Wir sind da.“ Die Wahrung der Sicherheitsinteressen seien sehr wichtig. Vor allem da die Slowakei nun keine eigenen Kampfflugzeuge mehr habe, so der Kommodore. Das Land gab seine letzten einsatzbereiten MiG-29AS im Herbst 2023 an die Ukraine ab. Es wurden bei diesem Einsatz auch immer wieder Übungsanflüge auf slowakische Militärflugplätze durchgeführt. Für die rund 360 Kilometer reine Luftlinie benötigen die Eurofighter ca. 30 bis 40 Minuten Flugzeit. „Wenn wir im Ernstfall mit Überschall fliegen, sind wir um gut die Hälfte der Zeit schneller“, erläutert der Kommodore.
Der Auftrag für die Stellung der sogenannten „Leistungsdemonstration des Eurofighters der Luftwaffe“, also das Eurofighter Solo Display, blieb 2023 ebenfalls in Neuburg. Um die Leistungsfähigkeit des modernsten Kampfflugzeugs der Bundeswehr zu präsentieren, wurde das TaktLwG 74 schon in 2022 beauftragt, Displays auf verschiedenen Veranstaltungen im In- und Ausland durchzuführen. Positive Außenwirkung, Werbung für die Truppe und auch hier nicht zuletzt wieder das Motto „Wir sind da“ werden mit dem imposanten Display der breiten Öffentlichkeit aufgezeigt. Displaypilot „Noble“ präsentierte den Eurofighter in seiner 2. Saison unter anderem auf der Antidotum Airshow in Leszno/Polen, dem Zigermeet Mollis/Schweiz oder dem SIAF in der Slowakei. „Nur“ 7:42 Minuten dauert das Display, das dem Hauptmann alles abverlangt. „Der Stressfaktor ist vielleicht kurz, dafür aber sehr belastend“, erklärt er. Und: „Das fühlt sich an wie eine Stunde Leistungssport.“ Anziehungspunkt waren auch seine Trainingsflüge vor den jeweiligen Shows in Neuburg. Das Geschwader informierte hier im Vorfeld durch die Presse und Social Media über die Flugzeiten der Trainingsslots. Diese Trainings verfolgten bei gutem Wetter dann bis zu hundert Zuschauer rund um den ganzen Flugplatz. Von Rentnern mit ihren Enkeln bis zum ehemaligen Starfighter Piloten war alles vertreten. Und kaum einer ging unbeeindruckt nach Hause. In 2024 wird Noble dann in seine dritte Saison starten.
Eines seiner Trainings flog „Noble“ dann auch am Donnerstagnachmittag des 06. Juli als Highlight des Familientages 2023. Auch sonst war an diesem Tag einiges geboten für die Soldaten des Verbandes und deren Angehörige. Die QRA zeigte einen simulierten Abfangeinsatz, in dem zwei Eurofighter einen „Eindringling“ in Form einer A-4 Skyhawk zur Landung zwangen. Damit wurde der Kernauftrag des Geschwaders, die Überwachung des süddeutschen Luftraums, eindrucksvoll dargestellt. Am Boden konnten historische Flugzeuge wie die AT-6 oder Beech AT-11 besichtigt werden. Rundflüge im Dopppeldecker wurden verlost und aus der ganzen Bundeswehr waren Gastflugzeuge wie ein A400M, H145, NH90 sowie der EC665 Tiger für das Static Display gekommen. Die Kinder der Soldaten konnten im Cockpit einer F-4F Phantom der Militärgeschichtlichen Sammlung (MGS) des Geschwaders Platz nehmen. Die Sammlung ist ein Highlight für sich und kann auch von interessierten Bürgern immer wieder an ausgewählten Terminen besichtigt werden. Von den Anfängen der Fliegerei in Neuburg bis zur Gegenwart reicht die Bandbreite der Ausstellungsstücke, die auch etliche Luftfahrzeuge enthält. Kommodore Schönhöfer bedankte sich beim Organisationsteam für die geleistete Arbeit in Vorbereitung und Durchführung. „Heute haben wir den Familienangehörigen einmal zeigen können, was wir hier eigentlich machen. Das soll auch als Wertschätzung gesehen werden für das Verständnis und die Entbehrungen, welche für die Familien damit verbunden sind“, so der Kommodore. Mit einem großen Hallenfest endete der gelunge Tag.
Jedoch ging es direkt am nächsten Morgen weiter. Der Freitag bildete den Auftakt zum Mini Tiger Meet 2023 (MTM). Zeitlich parallel zum Neuburger Schlossfest gelegen, welches auch in das Rahmenprogramm integriert wurde, lautete das Motto hier: Mittelalter. Gastmaschinen der Tigerstaffeln aus Jagel und vom Gastgeber des „großen“ NTM 2023 aus Gioia del Colle fanden den Weg nach Neuburg. Dazu reisten Soldaten etlicher Tigerstaffeln ohne Flugzeug oder per Transporter (die Tschechen mit der Let 410) für das Wochenende nach Bayern. Beim Spotterday konnte die interessierte Öffentlichkeit nicht nur das Flyout der Familientag Teilnehmer, sondern auch den regulären Flugbetrieb mit den leider nur wenigen MTM Missions aus nächster Nähe fotografieren und beobachten. Das Highlight des Tages blieb jedoch am Boden. Die Bavarian Tigers präsentieren mit einem spektakulären Roll Out ihre neue Tiger Folierung für das NTM 2023: „The 74 Tiger“. Mit dieser feierte man auch das 10-jährige Jubiläum. Die „Bavarian Tigers“ wurden am 18. März 2013 gegründet und sind seit dem 17. Mai 2016 Full Member der NATO Tiger Association. Dadurch hat der Eurofighter Verband Zugang zu einer der hochwertigsten Luftkampfübungen: dem jährlichen „NATO Tiger Meet“, welches im Oktober in Süditalien die größte Übung des Jahres für den Verband darstellte. Das überaus gelungene Design gewann dann auch den Preis für die schönste „Lackierung“. Weiter krönten sich die bayerischen Tiger als Gesamtsieger. Ausführliches zum NTM23 in Gioia del Colle im separaten Bericht.
Auch in 2024 wird es für das Geschwader wieder arbeitsintensiv. Ab März verlegt das Geschwader fünf Eurofighter zur NATO-Mission „Verstärkung Air Policing Baltikum (VAPB)“ ins lettische Lielvarde. Als Leitverband stellt man für neun Monate das Hauptkontingent, um bei Quick Reaction Alert-Einsätzen 24/7 die Sicherung des Luftraums an den NATO-Außengrenzen zu gewährleisten. Bei einem Verabschiedungsappell am 26. Februar in Neuburg hob der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder die Notwendigkeit der Mission hervor und dankte dem Kontingent im Beisein der Familien für ihren Einsatz und für ihre Bereitschaft, mit ihrem Einsatz die deutsche Beteiligung an den NATO-Bündnisverpflichtungen sicherzustellen. Fixer Bestandteil im Jahresprogrammes ist natürlich wieder das NATO Tiger Meet. In diesem Jahr findet die Übung nach zehn Jahren wieder in Deutschland beim Schwesterverband TaktLwG 51 in Schleswig statt. Ein neuer Tiger – Eurofighter ist hierfür natürlich Pflicht und dieser wird 2024 farblich „recht dunkel“ gestaltet. Genauer wollen sich die Neuburger Flieger noch nicht in die Karten schauen lassen. Alle Deployments und auch der heimische Kernauftrag der Alarmrotte sollen nach Plan in ca. 4100 Stunden erflogen werden. Allerdings wird es über Neuburg in 2024 insgesamt ruhiger werden. Circa 40% der geplanten Flugbewegungen werden aufgrund von VAPB & NTM nicht in der bayerischen Heimat erflogen. Von 01. bis 24. Juni (NTM-Zeitraum) wird der Platz gar ganz geschlossen sein. ■
Ein ganz herzlicher Dank an alle Beteiligten des TaktLwG 74 für die Unterstützung und natürlich für ihren täglichen Dienst & Einsatz!
Text & Bilder: © Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR Februar 2024