In den Niederlanden fand parallel zur Luftkampfübung „Frisian Flag“ auch das vom European Air Transport Command (EATC) organisierte European Air Refuelling Training – EART 2018 – statt. Tankflugzeuge aus vier Nationen operierten von Eindhoven aus und trainierten gemeinsam Luftbetankungsoperationen. In nur 23 Missionen wurden 517.000 kg Kraftstoff an die Kampfflugzeuge abgegeben.
Auch in diesem Jahr fand das vom European Air Transport Command (EATC) jährlich ausgetragene European Air Refuelling Training (EART) wieder in Verbindung mit der Luftkampfübung Frisian Flag statt. Bereits zum fünften Mal trafen sich die Tankflugzeuge und deren Besatzungen vom 09. bis 20. April 2018 auf der Vliegbasis in Eindhoven, gleichzeitig auch Standort des EATC. Neben einer in Eindhoven stationierten McDonnell Douglas KDC-10 der niederländischen Luftwaffe (334 Staffel) war jeweils eine französische Boeing C-135FR (02/091 GRV aus Istres-Le Tubé) und die Flugbereitschaft BMVg der Luftwaffe mit dem Airbus A310 MRTT vertreten. Zum ersten Mal nahm mit den USA auch ein nicht EATC Mitglied teil. Es kam eine Boeing KC-135R des 100. Air Refueling Wing von der Royal Air Force Station Mildenhall aus England. Gemessen an Anzahl der Teilnehmern und Flugbetrieb hätte 2018 die größte EART Ausgabe stattfinden sollen, jedoch schrumpfte das Teilnehmerfeld rapide auf zwei Tanker zusammen. Bereits am zweiten Tag mussten die Franzosen und Amerikaner nach nur einer geflogenen Mission aufgrund operationeller Gründe die Teilnahme abbrechen. Beide Länder benötigten die Tanker bei den Luftangriffen auf Ziele in Syrien in der Nacht vom 13. auf den 14. April. Die geplante italienische Boeing KC-767A kam nicht in Eindhoven an und sagte die Teilnahme kurz vor Beginn der Übung ab. Der Luftangriff auf Syrien verdeutlicht sinnbildlich auch das Hauptproblem des EATC und der europäischen NATO Partner in Bezug auf seine Tankerkapazitäten. Die Tankerunterstützung für die Operation in Syrien umfasste allein für diesen einen Angriff rund 20 Tanker. Obwohl dem EATC für all seine Aufgaben insgesamt rund 150 vorwiegend Transportflugzeuge aus den beteiligten Luftwaffen zur Verfügung stehen, kann es auf nur auf 19 Tankflugzeuge zurückgreifen. Gegenüber der USAF mit 550 Tankflugzeugen und nur drei verschieden Flugzeugmustern besitzen die verschieden Luftstreitkräfte Europas nur etwa 50 Tanker, die sich aus zehn verschiedenen Mustern zusammensetzen. Die Anforderung liegt hier bei ca. 130 Flugzeugen. Dazu sind die wenigen verfügbaren Tanker aufgrund ihres meist hohen Alters am Ende ihrer Lebensdauer. Technische Probleme bei den niederländischen KDC-10 und französischen C-135FR Tankern waren bei allen EART Übungen ein auftretender Faktor. „In Europa haben wir, gerade im Vergleich zu den USA, einen enormen Mangel an Luftbetankungskapazitäten. Neben den fehlenden Flugzeugen ist auch das knappe, entsprechend ausgebildete Personal ein weiterer Punkt“, so Oberst Andrea Massucci, wie im Vorjahr der Übungsdirektor von EART. „Für das Training der Besatzungen haben wir EART entwickelt.“
Das primäre Ziel von EART besteht darin den Tanker – Besatzungen der EATC Nationen ein Hochwerttraining in realistischen, komplexen, multinationalen Szenarien zu bieten. Diese sind im täglichen Übungsflugbetrieb nicht in dieser Tiefe möglich. Oberst Massucci legte vor allem Wert darauf, dass es sich um ein spezielles Training explizit für die Tanker – Besatzungen handelt. Die Übung unterstützt die parallel in Leeuwarden stattfindende Frisian Flag Übung. Sie ist aber eine eigenständige und die momentan einzige multinationale Luftbetankungsübung dieser Art in Europa. „Die Kombination von Frisian Flag und EART bietet uns die einzigartige Möglichkeit, ein sehr realistisches Szenario zu simulieren. Dieses ist am ähnlichsten wie unser Einsatz im vergangenen Jahr im Nahen Osten“, betonte Oberst Massucci. „Wir sind beide voneinander abhängig. Die Kampfjets benötigen Tankerunterstützung, wir benötigen Abnehmer. Die Übungen simultan durchzuführen ergibt den maximalen Nutzen für beide Seiten“. Trotzdem wurden für die Tankerbesatzungen spezifische Inhalte trainiert wie bspw. der schnelle Rückzug aus Gefahrengebieten (keine Luftüberlegenheit / Schutz durch eigene Jäger) oder die Rolle als fliegende SAR Station im Falle eines abgestützten Kampfjets im Einsatzgebiet. Dazu soll eine Standardisierung innerhalb der Nationen erfolgen. Dies beinhaltete die Planung, Briefing, Durchführung und Debriefing für die Piloten, Logistikexperten, Planer und Wartungsmannschaften. „Bei EART haben wir die Möglichkeit gemeinsam zu planen und zu fliegen. Das umfasst vor allem den Formationsflug mit anderen Tankern im engen Luftbetankungstrack (Tanker-Cell Operations) und auch Tanker-zu-Tanker Rendezvous-Verfahren“, so Major Martin, ein KDC-10 Pilot. Mit den Erfahrungen der Vorjahre wurde EART weiter verbessert. So wurde eine e-learning Plattform eingerichtet auf der alle Teilnehmer die theoretischen Inhalte im Vorfeld studieren konnten. Der 2017 eingeführte Zertifizierungsprozess wurde weiter verfeinert. EART 2018 versammelte auch eine multinationale Gruppe von Mentoren aus sechs verschiedenen Nationen: Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Italien, Spanien und den USA. Zunächst beraten die Mentoren die Crews im Rahmen mit ihrer jeweiligen Expertise. Gemeinsam mit den Crews nehmen sie am gesamten Programm teil: von der Vorbereitung eines Missionsfluges über den Flug selbst bis zum Debriefing am Ende des Tages. Die Mentoren stehen im Mittelpunkt, um die Trainingsziele der teilnehmenden Nationen zu festigen und um sicherzustellen, dass diese Trainingsziele gut umgesetzt werden.
Jeden Tag flogen die Tanker zwei Missionen. Geflogen wurde in den großen Lufträumen über der Nordsee, welche ebenfalls gemeinsam mit dem Frisian Flag Teilnehmern genutzt wurden. Zwei Luftbetankungs – Tracks über der Nordsee, mit „Shell“ (westlich der Niederlande) und „Esso“ (nördlich der Niederlande im dänischen Luftraum) betitelt, wurden eingerichtet, wobei die Luftbetankungsmanöver üblicherweise in Höhen zwischen 15.000ft bis 28.000ft geflogen wurden. Entsprechend aufwendig auch hier die koordinierenden Planungen, bei bis zu 60 Luftfahrtzeugen im Luftraum. Bei zwei Tankern mit je bis zu sechs Kraftstoff – abnehmenden Kampfflugzeugen pro Tanker war präzise Koordination gefragt. In den zwei Wochen wurden bei insgesamt 23 Missionen rund 63 Flugstunden produziert und 517.000kg Treibstoff an die Kampfflugzeuge abgegeben. Eine große Herausforderung für die Wartungsmannschaften war es, die Tanker innerhalb kürzester Zeit wieder für den nächsten Flug vorzubereiten. Die Turn – Around Zeiten betrugen hier nur ca. 60 Minuten.
Die französische Luftwaffe hat bereits im November 2014 zwölf A330-MRTTs bestellt. Die ersten neuen Tanker sollen ab 2018 geliefert werden und dann die C-135FR ersetzen. Während die Franzosen auf eine eigene Flotte setzen, haben sie andere europäische Länder zu einer multinationalen Lösung zusammengeschlossen. Die Niederlande (Bedarf von 2000 Flugstunden pro Jahr) und Luxemburg (200) bestellen 2016 zusammen zwei A330 MRTT als Startschuss für die durch das EATC geführten A330-MRTT Initiative. Diese ist auf den Erwerb und Betrieb einer gemeinsamen europäischen A330-MRTT Flotte ausgerichtet. Deutschland (5500) und Norwegen (1000) traten dem Programm im Jahr 2017 bei. Mit Belgien (1000) folgte im Februar ein weiterer Partner, womit nun insgesamt acht Flugzeuge fest bestellt wurden. Für drei weitere bestehen Optionen, die durch weitere Partner gezogen werden können. Polen, Spanien, Griechenland, Portugal und Ungarn haben ihr Interesse verlautet. Die ersten beiden A330 werden bereits im Jahr 2020 geliefert. Die derzeitige Planung ist die Tanker sowohl in Eindhoven als auch in Köln / Bonn zu stationieren. Für 2019 prüft das EATC derzeit Möglichkeiten ein zweiphasiges EART-Training anzubieten.▪
FliegerRevue 07/2018
Ein ganz herzlicher Dank an die entsprechenden Beteiligten der Pressestellen des EATC und der Flugbereitschaft BMVg sowie Herrn Ellhof im EATC.
■ Bilder & Text: Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR – April 2018