Die griechische Luftwaffe veranstaltete INIOCHOS erneut mit großer internationaler Beteiligung. Auf dem Luftwaffenstützpunkt in Andravida fanden sich ca. 75 Flugzeuge aus fünf Nationen ein. Unter Führung der ansässigen Waffenschule wurde das gesamte Spektrum moderner Luftkampfmissionen geübt. Erstmalig waren mit den italienischen F-35 Kampfjets der fünften Generation beteiligt. Sie trafen nicht nur auf die über 40-jährigen griechischen F-4E Phantom II sondern werteten die Übung nochmals auf.
Im Nordwesten der griechischen Peloponnes- Halbinsel ist der 117. Combat Wing auf der Luftwaffenbasis Andravida beheimatet. Neben der 338. MIRA „Aris“ mit ihren McDonnell Douglas F-4E AUP Phantom II ist hier auch das HAF Air Tactics Center Taktikzentrum der griechischen Luftwaffe, in welches wiederum die Waffenschule integriert ist, stationiert. Unter Federführung der Waffenschule fand vom 01. – 12. April die fünfte internationale Ausgabe der Großübung INIOCHOS statt. INIOCHOS wurde bereits in den 1980´er Jahren zum ersten Mal in rein nationalen Rahmen durchgeführt und entwickelte sich seitdem sukzessive weiter. Seit 2015 sind auch geladene Gäste auf dem Ausland beteiligt. Israel sowie die USA sind von Beginn an feste Partner mit jährlicher Teilnahme fliegender Einheiten. Die Teilnehmer kamen heuer aus Italien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Insgesamt wurden rund 2.000 Männer und Frauen mit 77 Flugzeugen nach Andravida verlegt. Die USAF Europe entsandte sechs F-16C aus Spangdahlem in der Eifel und die UAE war wie im Vorjahr mit sechs Mirage 2000-9 vertreten. Von der Ramat David Air Base aus Israel wurden 13 F-16C/D Block 30 „Barak“ nach Griechenland verlegt. Italien schickte je sechs Tornados und F-35A, womit erstmalig ein Muster der fünften Generation bei Iniochos mitflog. Eine E-3A AWACS der NATO unterstützte wie etliche griechische Marine und Heereseinheiten. Den Großteil der fliegenden Kräfte stellte logischerweise der Gastgeber selbst, insgesamt rund 40 Kampfflugzeuge. Neben den in Andravida stationierten F-4E Phantom ll nahmen u.a. auch Dassault Mirage 2000, Lockheed C-130H Hercules, Embraer 145H (AEW) und natürlich eine große Anzahl F-16 teil. Gleich vier Geschwader mit insgesamt acht Staffeln sind in Araxos, Larissa, Souda / Chania und Nea Anchialos mit verschiedensten F-16C / D-Varianten ausgerüstet. Die meisten F-16 Staffeln verlegten (i.d.R. vier) Flugzeuge nach Andravida. Die unterstützenden Einheiten wie die AEW&C, Transporter, Hubschrauber und Tankflugzeuge (israelische KC-707 and USAFE KC-135) flogen von ihren jeweiligen Heimatbasen aus. Das große Übungsgebiet erstreckte sich dabei über die Halbinsel Peloponnes, die westlich davon gelegenen Seegebiete des Ionischen Meeres sowie der Ägäis. So wurde über Wasser, flachem Gelände, Gebirgen und den vielen Inseln der Ägäis geflogen. Den Teilnehmern wurde ein vollständig simulierter Kriegsschauplatz zur Verfügung gestellt, inklusive der Nutzung der Schießplätze in Chrisoupolis und Kastellorizo mit scharfer Munition. Geflogen wurde täglich in zwei Wellen am Vor- und Nachmittag. Dazu kamen zwei Nachtflugmissionen pro Übungswoche. Die Gesamtzahl der geflogenen Einsätze betrug 863 Missionen. Iniochos selbst war in drei Phasen geteilt. Einer intensiven, mehrmonatigen Vorbereitungsphase, hauptsächlich für den Gastgeber, folgte die Verlegungsphase der Teilnehmer (26. – 28. März) und die eigentliche Durchführungsphase (01. – 12. April). Die Israelis nahmen nur in der ersten Woche teil und die Amerikaner verlegten schon am Dienstag der zweiten Woche zurück nach Spangdahlem.
Im Fokus bei Iniochos 2019 stand die Lage im östlichen Mittelmeerraum. Die sensible Situation mit der Türkei seit dem gescheiterten Militärputsch 2016 und der anhaltende und wachsende Streit zwischen den USA und Ankara über den Kauf der russischen S-400 Luftabwehr-Raketensysteme sowie die geblockte Lieferung der F-35A an die türkische Luftwaffe. Das Hauptziel der Übung besteht darin ein möglichst realistisches, operationelles Training anzubieten. Das Einsatzszenario soll bei höchstmöglicher Bedrohungslage den größtmöglichen Realismus erreichen. Das gesamte Spektrum moderner Luftkriegsoperationen wurde abgedeckt und umfasste dabei die komplette Brandbreite heutiger Luftkriegsaufgaben: Von klassischer Luftverteidigung und Herstellung der Lufthoheit über den Schutz von eigenen Luftfahrzeugen oder Konvois am Boden, Luftaufklärung, Combat Search and Rescue, bis hin zu konventionell und Laser/GPS-gelenkten Präzisionsangriffen auf starre wie bewegliche Boden- und Seeziele. Das Training in der Planung und Durchführung der schwierigen Combined Air Operations in dieser anspruchsvollen Umgebung ist vor allem für junge Besatzungen gedacht. Ein besonderer Schwerpunkt lag in diesem Jahr auf Joint Terminal Attack Controller-Missionen und die Unterdrückung der feindlichen Luftverteidigung (SEAD). Gerade die F-35 brachte in letzterem Bereich und der elektronischen Kriegsführung ganz neue Möglichkeiten ein. In der ersten Übungswoche lag der Fokus auf der Neutralisierung der feindlichen Luftabwehr (SEAD), der Degradierung der operativen Fähigkeiten der feindlichen Stützpunkte und die anschließende Zerstörung wichtiger Infrastrukturobjekte wie beispielsweise Brücken oder elektrische Kraftwerke des Feindes. In der zweiten Woche folgten maritime Operationen. Diese erwiesen sich für viele Teilnehmer aufgrund des Mangels an entsprechenden Erfahrungen als herausfordernde Aufgabe. In den letzten Jahren haben die meisten Luftwaffen rund um den Globus ihr Hauptaugenmerk auf das Air-to-Ground Training wie Close-Air-Support gelegt. Die Waffenschule war hier für die Überwachung der Qualität des Trainings, der taktischen Relevanz der Aufgaben und der Ergebnisse verantwortlich. Klassisch ist die Aufteilung der Kräfte in eine BLUE und RED AIR, wobei die Feinddarstellung durch die RED AIR bei Iniochos besonders ist. Diese erfolgt fast komplett durch die HAF selbst, einzig Israel stellte noch ein kleines Kontingent. Vor allem für die anderen Nationen ist dies ein großer Vorteil, da sie keine wertvollen Ausbildungsflüge durch diese Rolle verlieren. Die Fluglehrer der Waffenschule werden hier mit den F-16C der 330. and 337. MIRA eingesetzt. Capt. Gkioles, Kommandeur der Waffenschule, betonte extra das die erfahrenen Piloten hier das volle Spektrum der F-16 ohne Beschränkungen bei Waffeneinsatz oder G-Belastung ausnutzen, um die Bedrohung zu maximieren. Die Fluglehrer unterstützten die teilnehmenden Piloten auch bei der Planung und taktischen Durchführung ihrer Missionen.
Die Teilnahme der F-35A war nicht nur für Iniochos eine Prämiere. Die italienische Luftwaffe verlegte den Jet der 5. Generation erstmalig auf eine fremde Basis im Ausland. Dazu war es die erste multinationale Übung, an der man sich beteiligte. Während der COMAO-Missionen flogen die F-35A dann mit Jets der 3. (F-4E Phantom) und 4. Generation (F-16, Mirage 2000) zusammen. Gerade die Integration der verschiedenen Generationen von Kampfjets ist eine der kommenden großen Aufgaben der NATO. General Fernando Giancotti, Befehlshaber der italienischen Luftwaffe fasste die Übung vor Ort zusammen: „Die Trainingsmöglichkeiten welche uns Iniochos bietet sind ausgezeichnet. Die Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Nationen und die exzellente Unterstützung durch die Griechen hier vor Ort hat es uns erst ermöglicht, diese Missionen zu trainieren und den Erfahrungsaustausch zu fördern. Darüber hinaus hatten wir hier erstmalig die Möglichkeit die F-35A in einer internationalen Übung einzusetzen. Die Interoperabilität zwischen Tornado und F-35 sowie die Integration der Jets der fünften Generation mit unseren und den älteren Modellen der anderen Nationen ist die aktuell größte Aufgabe der NATO.“ Die Italiener flogen insgesamt 145 Einsätze mit etwa 250 Flugstunden. Iniochos entwickelt sich langsam zu einer der wichtigsten Übungen dieser Art in Europa, was allein die hohe Zahl an Beobachter und damit potenziellen neuen Teilnehmern in diesem Jahr zeigt. Aus den Erfahrungen der nun durchgeführten Übungen ist es das Ziel der HAF, ein Ausbildungszentrum für verbündete Luftwaffen einzurichten, welches in Zukunft viele weitere Nationen ansprechen soll. Auf griechischer Seite sind die Bestrebungen vorhanden die Basis Andravida weiter auszubauen. Dass alle Teilnehmer von einem Flugplatz aus operieren gehört zum Konzept der Übung. Größere Abstellflächen für die Flugzeuge nach dem Engpass in diesem Jahr, ein Ausbildungszentrum mit modernen Briefing- und Vorbereitungsräumen und weitere Wartungshallen sind in Planung. Wie üblich kamen keine detaillierten Ergebnisse an die Öffentlichkeit, aber alle Teilnehmer lobten den hohen Grad an Realismus der Szenarien und die Vielzahl anspruchsvoller Echtzeitbedrohungen. Ein israelischer Pilot lobte: „Die Bedrohungen waren sehr anspruchsvoll und die schwierigen Missionen erforderten eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ländern. Während Iniochos konzentrierten wir uns auf Tiefflüge und Luftangriffe über feindlichem Gebiet. Die geografischen Bedingungen hier sind ganz anders als in Israel und für uns ungewohnt. Dazu mussten wir eine große Anzahl von Flugzeugen für eine Woche ins Ausland verlegen. Das Training hier ist auf einem unglaublich hohen Niveau!“ ■
FliegerRevue 07/2019
■ Bilder & Text: Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR April 2019