In den Niederlanden fand im April wieder parallel zu EART 2018 die multinationale NATO Hochwertübung „Frisian Flag“ statt. Die Vliegbasis Leeuwarden im Norden des Landes war wie gewohnt Gastgeber und die Übung erfreut sich weiter größter Beliebtheit. Rund 70 Kampfflugzeuge aus sechs Nationen nahmen teil. Ziel dieser Übung ist das Training komplexer, multinationaler Luftkriegsoperationen.
“Welcome to Fighter Town Leeuwarden” – vom 09. bis 20. April fand die jährliche Hochwertübung Frisian Flag auf der Vliegbasis Leeuwarden in der nördlichen niederländischen Provinz Friesland statt. Organisiert von der ansässigen 322 Tactical Training, Evaluation and Standardisation Squadron (TACTESS) war sie mit rund 1.000 Soldaten verschiedenester Nationen und über 70 Luftfahrzeugen eine der größten Übungen des Jahres in Europa. Geflogen wird vom niederländischen Luftraum über die Deutsche Bucht bis hinauf nach Dänemark, hauptsächlich über der Nordsee. Frisian Flag Supervisor Oberstleutnant Ronald van der Jagt erklärt den Bedarf für eine Übung dieser Art aus strategischer Sicht: „Die globalen Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass einsatzbereite, gut ausgebildete Luftwaffen für jeden Staat unabdingbar sind. Der Westen war und ist dauernd in militärische Operationen involviert und in jeder haben die Luftstreifkräfte die signifikante Rolle gespielt. Dies bedeutet wir benötigen für diese Einsätze hervorragend vorbereitetes Personal. Ein weiterer Trend ist, das wir ohne Ausnahme in Koalitionen operieren. Ein Staat tritt kaum mehr allein in einen Konflikt ein. Natürlich haben wir im Westen die NATO als Bündnis, aber die letzten Einsätze (bspw. Libyen) haben gezeigt, dass wir in den Koalitionen auf weitere, oftmals nicht-NATO Partner treffen (z.B. Coalitions of the willing)“. Diese Szenarien bringen neue Herausforderungen mit sich. Oberstleutnant van der Jagt ist sich dessen bewusst: „Bei den jüngsten Einsätzen in Afghanistan, Libyen oder aktuell im Irak/Syrien mussten wir innerhalb weniger Tage verlegen. Das bedeutet wir müssen zu jeder Zeit für Einsätze in der ganzen Welt bereit sein, teilweise mit uns wenig bekannten Partnern operieren und dabei einen hohen Standard erfüllen. Bei einem CAS – Einsatz in Syrien bspw. ist das Ziel keine Kollateralschäden oder Verluste auf unseren Seiten zu haben. Hohe Anforderungen werden an die Crews gestellt und diese stellen die Luftwaffen auch an ihr Training. Aus diesem Grund ist Frisian Flag so wertvoll, wir bieten ein Hochwerttraining wie es in Europa nur selten verfügbar ist!“
Das Hauptziel von Frisian Flag ist es große Combined Air Operation (COMAO) in realistischen Szenarien gemeinsam zu planen, fliegen und im Anschluss zu analysieren. Jede Mission setzt eine rund 6-stündige Planung voraus, bei welcher der Mission Commander seine ihm zur Verfügung stehenden Kräfte optimal verplant. Dies kann zum Beispiel ein Szenario sein, bei dem Leeuwarden vor angreifenden Einheiten aus dem Norden geschützen werden muss oder der Begleitschutz eines Slow Movers, z.B. eine RNLAF C-130H, die Fallschirmspringer an einem bestimmten Punkt absetzt. Geflogen wurden sowohl offensive (Air Interdiction, Air Superiority (Sweep/Escort), Suppression of Enemy Air Defence (SEAD) oder die Bekämpfung von Zielen via Joint Tactical Air Controllers) wie defensive (Schutz von Objekten am Boden, Slow Movern) Missionen bzw. eine Kombination aus beiden. Pro Tag wurden zwei Missionen mit ca. 45 Jets und weiterer Unterstützung durch NATO E-3A Sentry AWACS, elektronischen Störern, Royal Netherlands AF Einheiten und etlichen Bodeneinheiten (SAM) geflogen. Als Red Air (Darstellung feindlicher Kräfte) fungierten während der Übung in diesem Jahr erstmalig auch zivile Firmen mit Zieldarstellern zusätzlich zu den Kontingenten der Teilnehmer. Die kanadische Firma Discovery Air Defence mit ihren Douglas A-4 Skyhawks aus Wittmundhafen sowie die polnischen MiG-29 stellten einen Großteil der Red Air. Bei den Missionen waren die Kräfte etwa 70/30 (Blue/Red Air) aufgeteilt. Die Red Air Darsteller, bis auf die MiG-29 (mit ihrer kürzen Reichweite und Flugzeiten unter einer Stunde waren sie die letzten der Startphase und die ersten zur Landung), waren dabei die ersten in der Luft um sich nach einer Luftbetankung für das jeweilige Szenario zu positionieren. „Das war ein großer Vorteil dieser Übung in diesem Jahr“, bilanzierte Oberstleutnant van der Jagt. „So konnten die anderen Piloten einen noch größeren Trainingseffekt aus der Übung mitnehmen, da weniger Mission durch Stellung der RedAir verloren gingen.“ Nach rund 1,5h Flugzeit kehrten die Jets wieder nach Leeuwarden zurück, wobei eine Start- oder Landephase bis zu 45 Minuten dauerte. Nach erfolgreicher Landung wird im Debriefing dann alles nachbesprochen und man zieht seine Lehren aus der Mission. Dies ist der wichtigste Part der Übung.
Frisian Flag 2018 Teilnehmer & Rollen:
Der gesteigerte Bedarf an dieser Art von Übung wurde durch die erneut gesteigerte Teilnehmerzahl deutlich. Es war eine der größten Frisian Flag Übungen, die schon seit 1992 stattfindet. Auch die US Air Force war in diesem Jahr wieder mit dabei und brachte zwei F-15 Eagle ANG (Air National Guard) Einheiten als Teil des Theatre Security Package (TSP) von den Staaten nach Europa. Oregon Air National Guard Lt. Col. Aaron Mathena, 123rd Fighter Squadron & Detachment Commander: „Da die USAF in den letzten Jahren an Größe abgenommen hat, bildet die ANG eine Art „operative Reserve“. Aber wir stehen unseren Kollegen aus den Active Duty Units in nichts nach. In den letzten anderthalb Jahren wurden wir mehrmals zu Übungen im In- und Ausland, wie „Desert Flag“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten, gesendet. In Vorbereitung auf das TSP hier in Europa haben wir Anfang dieses Jahres an „Red Flag“ in Nellis AFB, Nevada, teilgenommen.“ Im Rahmen des TSP werden die F-15 Eagles neben der Teilnahme an Frisian Flag auch nach Rumänien, Bulgarien und England verlegt. Insgesamt werden die Jets sechs Monate außerhalb der Staaten verweilen, das Personal wird jedoch gewechselt. Lt. Col. Mathena: „In den ersten drei Monaten liefern wir von der Oregon ANG das Personal. Dann gehen wir zurück in die Heimat und unsere Kollegen von der Massachusetts ANG übernehmen das Detachment.“
Die Luftwaffe war unter der Leitung des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“ aus Wittmund mit 150 Soldaten und zivilen Mitarbeitern sowie acht Eurofightern in Friesland vertreten. Unterstützt wurde das Geschwader mit fliegendem Personal aus Neuburg und Nörvenich sowie zwei Eurofighter des Boelcke Verbands. Auch der Kommodore des TaktLwG 71, Oberstleutnant Kai Ohlemacher, machte sich vor Ort ein Bild vom Verlauf und hebt die Wichtigkeit dieser Übung hervor: „Die Schwerpunkte dieser Übung sind zum einen auf der taktischen Ebene zu sehen. Hier ist im Besonderen die Aus- und Weiterbildung unserer Besatzungen zu nennen. Ein weiterer Schwerpunkt ist für mich auch, dass wir als aufwachsender Verband hier die Möglichkeit haben, unter unserer Führung eine solche Hochwertübung zu organisieren, durchzuführen und in letzter Konsequenz auch nachzubereiten“, betonte der Kommodore. Bezüglich der Zukunft von Frisian Flag zeigte sich Oberstleutnant van der Jagt optimistisch: „Frisian Flag bietet gerade den europäischen Teilnehmern zu relativ günstigen Kosten ein fokussiertes Hochwerttraining abgestimmt auf ihre Bedürfnisse. Die Einführung der F-35A Lightning II bei der RNLAF (bei der 322 SQN in Leeuwarden ab Ende 2019) wird Frisian Flag ohne Zweifel beeinflussen. Für 2019 ist eine weitere Übung geplant, ehe dann 2020 wahrscheinlich eine Pause aufgrund der F-35A Einführung gemacht wird. Der Bedarf für Übungen dieser Qualität und im besonderen die Beliebtheit von Frisian Flag ist jedoch so hoch wie nie und nur wenn wir zusammen trainieren, können wir auch zusammen operieren. Das ist das Motto von Frisian Flag, das ist was es ausmacht!“ ▪
Ein ganz herzlicher Dank an die entsprechenden Beteiligten der Pressestelle der Vliegbasis Leeuwarden und PAO Leutnant Jayme Tol.
■ Bilder & Text: Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR – April 2018