Wie in den Vorjahren fand die internationale Ausgabe der türkischen Hochwertübung „Anatolian Eagle“ auch 2022 wieder auf der 3’üncü Ana Jet Üs/3rd Main Jet Base Konya in Anatolien statt. Das Anatolian Eagle Training Center Command bildet eines der größten taktischen Trainingszentren für Luftkriegsführung der westlichen Welt. Vorbild ist die Nellis Air Force Base in den Staaten – Heimat der Red Flag Übungen. Vom 13.06. – 01.07.2022 bot Anatolian Eagle 2022 die übliche Mischung aus heimischen Einheiten der türkischen Luftwaffe und internationalen Gästen.
Die Wurzeln von Anatolian Eagle (AE) reichen zurück auf das Jahr 2001. Nach ihrer ersten Teilnahme an Red Flag 1997 in Nellis begann die türkische Luftwaffe (Türk Hava Kuvvetleri – THK) mit dem Aufbau einer eigenen Hochwertübung analog dem amerikanischen Vorbild. Die erste Ausgabe fand dann 2001 in Konya statt und seitdem nimmt ihre Bedeutung immer weiter zu. Seit der Gründung folgten weitere 48 nationalen und internationalen Ausgaben mit Teilnehmern aus 15 verschiedenen Nationen und über 25.000 Missions statt. Einen Unterbruch gab es jedoch nach 2016 in Folge des Putsches sowie durch Covid-19. Das Anatolian Eagle Training Center (AETC) hat seine Heimat dauerhaft auf der „3rd Main Jet Base“ in der Millionenstadt Konya gefunden. Die Übung umfasst verschiedene Aspekte der modernen Luftkriegsführung, einschließlich Luft-Luft-Kämpfen, Luft-Boden-Einsätzen und elektronischer Kriegsführung. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten im Luftkampf zu testen, taktische Missionen zu planen und auszuführen sowie ihre Kommunikations- und Koordinationsfähigkeiten in multinationalen Operationen zu verbessern. Mitten im dünn besiedelten Zentralanatolien gelegen, bietet Konya ideale Bedingungen für die Ausrichtung einer Übung dieser Art und Größe. Die Infrastruktur ist hervorragend, modern und teilweise extra für das AETC erstellt worden. Eigene Planungsgebäude der AE Operations von Blue, White & Red Air, ein Gebäude für soziale Einrichtung und nicht zuletzt die große „Eagle Ramp“ samt eigenem Wartungshangar wurden ab 2008 neu errichtet. Groß dimensionierte Lufträume ohne Einschränkungen stehen nach sehr kurzem Anflugsweg zur Verfügung – von Groundlevel bis 50.000ft! Zusätzlich gibt es noch ein Übungsgebiet über der Ägäis, nördlich von Zypern für maritime Operationen. Zwei Fregatten der Marine beteiligten sich ebenfalls an AE.
Dazu bietet AE alles was moderne Hochwertübungen wie RedFlag oder das NATO Tiger Meet ausmachen. AETC Commander Lt.Col. Turgay Tümer hierzu: „Unser Ziel ist es eine realistische Nachbildung der aktuellen Szenarien und Bedrohungslagen. Wir bieten vor allem unerfahrenen, jungen Piloten ein Training in großen verbundenen Operationen.“ Am Medientag erläuterte der Kommandant der türkischen Luftwaffe, General Hasan Kücükakyüz weiter: „Die Hauptziele sind einerseits in der Vermeidung des Verlusts von Kampfpiloten und Flugzeugen durch einen hohen Ausbildungsstand aber auch der Erfahrungsaustausch und die Verbesserung der Interoperabilität mit unseren Partnern. Unsere Mission ist es, den teilnehmenden Besatzungen das bestmögliche operative Übungsumfeld zu bieten und das Überleben in Kampfszenarien zu lehren. Gerade um diese auf die ersten Missionen im Einsatzfall, die schwierigsten und verlustreichsten, vorzubereiten. Zusätzlich steht der Austausch von Erfahrung zwischen den internationalen Teilnehmern und die Verbesserung der Zusammenarbeit im Fokus.“
An Teilnehmern zählte man in diesem Jahr 30 türkische und 15 internationale Fighter sowie etliche Supporteinheiten. Bei über 200 F-16 im Bestand, war es keine Überraschung das die türkischen „Viper“ den Großteil der Teilnehmer stellten. Gleich sechs türkische F-16 Staffeln flogen bei AE 2022. Neben den F-16 bot die THK noch CN235 (201. Filo), KC-135R (Tankersupport / 101. Filo) E-7T (Airborne Early Warning & Control / 131. Filo) und Airbus AS532 (135. Filo) Hubschrauber für die CSAR Rolle auf. Zwei F-4E 2020s der 111. Filo sind extra für den Spottertag angereist, flogen jedoch keine Missions der Übung mit. Dafür präsentierten sie sich mit mehreren schönen Überflügen den Fotografen vor ihrer Rückreise nach Eskişehir. Sehr intensiv wurde die teilnehmende Bayraktar Akinici Drohne der 341. Filo beworben. Die türkische Eigenentwicklung führte die Aufklärung der AE Ziele durch und bot am Pressetag etliche Überflüge in Konya. Die Drohne von Hersteller Baykar Technology ist als High Altitude and Long Endurance (HALE) Aufklärungs – und Kampfdrohne ausgelegt.
Das internationale Teilnehmerfeld wurde ebenfalls von der F-16 dominiert. Pakistan (No.11 Squadron „Arrows“ / Mushaf) und Jordanien (1. Squadron / Al Azraq) verlegten sechs bzw. drei Jets nach Konya. Dazu gesellten sich noch vier britische Eurofighter (3. Squadron / RAF Coningsby bzw. von Air Policing Detachment aus Rumänien abgestellt) und die beiden Sukhoi Su-25 aus Azerbaijan (Kyurdamir AB). Letztere flogen ausschließlich in der AG Rolle, während alle anderen Jets Multi-Role fähig waren. Die beiden angekündigten azerbaijanischen MiG-29 mussten im Vorfeld absagen. Die vor Ort stationierte E-3A AWACS der NATO war wie jedes Jahr zur Erstellung des Luftlagebildes involviert.
In den beiden Übungswochen wurden dann in Composite Air Operations (COMAOs) mit allen Missionstypen von CAP (Combat Air Patrols), Fighter Sweep, SEAD/DEAD (Suppression/Destruction of Enemy Air Defenses), AI (Air Interdiction), CAS (Close Air Support) bis CSAR (Combat SAR) geflogen. Die Übungsplaner sind immer bestrebt den Lehrwert der Übung zu verbessern und so wurden auch während AE 2022 einige Neuerungen eingebaut. Der Einsatz der Akinici sei hier genannt. Täglich wurden zwei „Eagle Missions“ geflogen. Insgesamt absolvierten die Teilnehmer in diesem Jahr 196 Einsätze. Ein CSAR Support Package, bestehend aus Hubschraubern der 135. Filo, wurde in vielen „Eagle Missions“ integriert. Dieses Packet musste durch die Jets, meist türkische F-16, geschützt werden (CSAR escort „top cover“). Zur Durchführung der Angriffe konnten gleich drei Air-to-Ground Bombing Ranges, welche mit verschiedene Luftabwehrsystemen bestückt waren, genutzt werden. Hier gab eine ganze Bandbreite an SAM – Gegnern wie die russischen SA-6 Gainfull, SA-8 Gecko, SA-11A/B Gadfly, ZSU-23-4 „Shilka“ und die westlichen Systeme Skyguard, Sparrow und Hawk sowie das mobile Radarsystem MTS. Einige dieser Systeme waren real vorhanden, ein Teil wurde simuliert. Das russische S-400 (SA-21 Growler) wurde hier am Medientag expliziet nicht erwähnt. Die in Konya beheimatete 132. Filo stellte wieder die Red Air Komponente mit acht F-16.
Auch in Zukunft will die THK die Übung weiter ausbauen und noch komplexere, realistischer Missionen anbieten. Wenn von genügend Teilnehmer gewünscht sollen auch Nachtmissionen, im realen Kampfeinsatz die häufigsten Missionen, angeboten werden. Dazu sollen sich schnell bewegende statt statische Ziele kommen und der scharfe Einsatz von Laser gelenkten Waffen (LGB). Insgesamt stärkt Anatolian Eagle die Kampffähigkeiten der türkischen Streitkräfte und fördert die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern. Die Übung bietet eine realistische und anspruchsvolle Umgebung, um taktische Fähigkeiten zu verbessern. ▪
Text & Bilder: © Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR Juni 2022