Nach mehreren Jahren Unterbrechung fand das Fliegerschiessen auf der Axalp-Ebenfluh erstmals seit 2012 wieder statt. Die beteiligten Verbände beeindruckten mit ihren professionellen Leistungen bei Bilderbuch-Herbstwetter täglich rund 6500 Zuschauer. Der einzigartige alpine Fliegerschiessplatz feierte in diesem Jahr sein 75-Jubliläum.
Mit dem Funkspruch «Shark One: Clear In, Hot!» erteilt der Schiessleiter im Kommandoposten auf der Axalp dem Leader einer Vierer-Formation F-5E Tiger II die Freigabe für den ersten Angriff. Mit entsicherten Boardkanonen feuern sie ihre Salven gegen die im Felshang markierten Übungsziele. Was nirgendwo sonst in dieser Form beobachtet werden kann, ist das Kanonen-Schießen auf die verschiedenen Ziele, wobei die F-5E Tiger und die F/A-18 Hornets nach der Schussabgabe bei 800 km/h jeweils wieder beeindruckend schnell in den Deckungen verschwinden, welche ihnen die Berge und Täler bieten. Auf dem Kanonenschiessparcours mit Zielanflügen aus sechs verschiedenen Himmelsrichtungen dokumentierten die Piloten der Schweizer Luftwaffe eindrücklich ihre Leistungen in diesem anspruchsvollen alpinen Terrain. Was die Besucher auf der Axalp fasziniert, brachte Luftwaffenkommandant Aldo Schellenberg treffend auf den Punkt: Nirgendwo sonst könne eine eindrücklichere Symbiose zwischen Natur und Technik, zwischen statischen Felsen und sich dynamisch bewegenden Flugzeugen, kurz zwischen Himmel und Erde, erlebt werden. Mit den Vorführungen will die Schweizer Luftwaffe ihr Können und ihre Mittel präsentieren. Dies war in diesem Jahr nach langer Durststrecke wieder einmal möglich. Bei herrlichem Herbstwetter fand das Fliegerschiessen auf über 2200 Meter über Meer zur Freude der vielen begeisterten Zuschauer wie geplant am Mittwoch, 11. und Donnerstag 12. Oktober 2017 statt. In den letzten vier Jahren konnte es aufgrund unterschiedlicher Gründe (siehe Infokasten), meist dem Wetter, nicht stattfinden. Auch für die Organisatoren der Luftwaffe war es viel einfacher als in vergangenen Jahren, morgens um 8 den Durchführungsentscheid zu fällen, denn die perfekten Wetterprognosen für die beiden Tage hielten stand. Obwohl das Wetter im Gebirge in kurzer Zeit umschlagen kann, brauchte man sich in diesem Jahr kaum vor einem Witterungsumbruch zu fürchten. Mehrere Hundert geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Armee, Journalisten sowie Botschafter, Militärattachés und Bundesräte flog die Luftwaffe mit acht Super Pumas und Cougar Transporthelikoptern im «Big-Lift» vom Militärflugplatz Meiringen aus auf die Ebenfluh. Über 6000 Besucher täglich erklimmten jedoch zu Fuß mit Sack und Pack auf dem Rücken die Zuschauerzonen an den Südhängen von Tschingel und Axalphorn. Bereits früh morgens, ab 5 Uhr geht es mit dem Bus vom Großparkplatz nahe Brienz nach Axalp – Dorf und von dort weiter mit dem Sessellift. Der folgende Aufstieg in eine der drei Zonen dauert zwischen ein und drei Stunden und hinterlässt so manche Schweißperle auf der Stirn. Doch die Strapazen werden mit einem eindrucksvollen Programm belohnt.
Wie in den vergangenen Jahren gehörten das Super Puma/Cougar-, Jetpiloten-Schulflugzeug Pilatus PC-21 – und F/A-18C Hornet-Solo-Display genauso zur einmaligen Vorführung wie das perfekt ins Gelände eingepasste Programm der Patrouille Suisse zum Abschluss des Programmes. Geräuschlos war der Anflug der zwölf Fallschirmaufklärer, die aus 1500 Meter über Grund aus zwei PC-6 Turbo Portern absprangen. Begleitet von passender Musik schwebten sie an der Zuschauerzone Tschingel vorbei in Richtung Axalp-Dorf und zeigten dabei die Fahnen der Schweiz, der Kantone und der Schweizer Luftwaffe. Während der EC635 eine Rettung mit Windeneinsatz zeigte waren weiter zwei Super Puma in einer Feuerlöschdemonstration, zur Wasseraufnahme diente der malerisch im Tal gelegene Brienzer See, zu sehen. Den Beginn machte das eigentliche Fliegerschiessen von vier F/A-18C Hornet der Fliegerstaffel 11 aus Meiringen und sechs F-5E Tiger II der Fliegerstaffel 8, die von Sion aus operierte. Dieser Erdkampf, wie er auf der Axalp betrieben wird, ist eine von diversen Kompetenzen eines F/A-18 Piloten. Die M-61 Vulcan 20mm Kanone der F/A-18 mit ihrer Kadenz von 6000 Schüssen pro Minute ist zwar auch gegen Bodenziele äußerst wirksam. Für eine umfassende Erdkampffähigkeit fehlen der Schweizer Luftwaffe aber seit dem Ende der Hawker Hunter-Ära wesentliche Mittel. So ist die Hornet zwar grundsätzlich zum Luft- und Erdkampf fähig, es wurden in der Schweiz aber nie die entsprechenden Waffensysteme (z.B. Zielbeleuchter, Präzisionswaffen) für die Luft- Boden-Rolle beschafft. Das Training auf der Axalp ist wichtig zur Kompetenzerhaltung der Grundkenntnisse im Bereich Erdkampf. Ein Pilot der Staffel 11 erklärte am KP: «Was wir hier trainieren, hat nichts zu tun mit Close Air Support (CAS) oder Air Interdiction (AI), den klassischen Formen der Erdkampfunterstützung, bspw. in der NATO. Das Schießen mit Bordkanonen im Gebirge ist aber in der Ausbildung deshalb so wichtig, weil diese formellen Schießparcours erlauben, ein Waffensystem „hot“, das heißt live und im scharfen Schuss zu verwenden. Präzise Voltengeometrien, exakte Fluggeschwindigkeiten, Aufziehen und zeitgerechtes Eindrehen gegen den Zielhang, korrekter Stechwinkel, ideale Schussdistanz, rechtzeitiges Degagieren und das sichere Koordinieren der Flugwege innerhalb des Verbandes machen diese Schiessparcours zu anspruchsvollen Trainingsübungen. Das Beherrschen dieses Grundhandwerks bildet dann die Basis, um komplexere Szenarien oder Waffensysteme handhaben zu können.»
Jubiläum 75 Jahre Schießplatz Axalp-Ebenfluh
Seit 75 Jahren dient der zwischen steilen Felswänden gelegene Geländesattel den Piloten als Zielgebiet für das Training von Erdzielangriffen. Am Anfang dieser Attraktion, die für Fliegerfans einzigartig ist, standen allerdings Fehlschüsse: General Henri Guisan überprüfte während des Zweiten Weltkriegs regelmäßig die Kampfbereitschaft der Waffengattungen. Im Juli 1942 schnitt die Luftwaffe dabei nicht eben glänzend ab: Bei einer Übung verfehlten die Flieger die Ziele mehrheitlich. Die logische Konsequenz: Guisan erteilte den Befehl, alle Kampfflugzeug-Besatzungen im Erdkampf im Gebirge auszubilden. Auf der Suche nach einem geeigneten Gelände fand sich schließlich die Axalp, wo am 7. Oktober 1942 der Schießplatz eröffnet wurde. Die ersten Angriffe flog die Fliegerkompanie 20 mit Morane-Flugzeugen. Schritt für Schritt wurden die Bedingungen in dem schwer zugänglichen Gelände verbessert. So wurde im Oktober 1944 ein Kommandoposten gebaut, in dem übernachtet werden konnte. Zuvor mussten die Angehörigen des Schiessdetachements jeden Morgen mit den Skiern ins Gelände aufsteigen. Ab Sommer 1945 stand dann auch eine Luftseilbahn für Materialtransporte zur Verfügung. Und schließlich wurde – als Folge der Einführung der Vampire und damit des ersten Düsenflugzeugs – der Kommandoposten versetzt, um eine bessere Übersicht auf die Ziele zu haben. 1960 eröffnet, befindet sich dieser bis heute zwischen Tschingel- und Axalphorn. Anderes blieb nicht gleich: Mit der Außerdienststellung der Hunter-Flugzeuge endete 1994 die Ära des Erdkampfs. Wurden zuvor auf der Axalp auch Bomben abgeworfen, wird seither nur noch mit den Bordkanonen geschossen, dies jedoch jährlich. Die Schieß – Saison dauert von Anfang Oktober bis Ende Mai. In dieser Zeit ohne Vieh auf den Bergen trainieren die Piloten jedoch regelmäßig das präzise, scharfe Schießen mit ihren F/A-18 Hornet und F-5E Tigern. Ob die F-5E in den nächsten Jahren nochmal in der Luft-Boden-Rolle zu sehen sind ist jedoch offen. Die F-5E Milizstaffeln werden Ende des Jahres aufgelöst. Die Fliegerstaffel 8 „Vandalos“ verabschiedete sich auf jeden Fall beim Fliegerschiessen schon mit einer perfekten Vorführung. ▪
FliegerRevue 01/2018
■ Bilder & Text: Mathias Grägel / GME-AirFoto GbR Oktober 2017